Stefan Römer
Unternehmen und Institute als Fake
»In bezug auf den alten Plunder ist es nützlich, nicht zu vergessen: Das Alte ist Dünger, nicht Speise.«1
Sergej Tretjakow
1. Die Fluggesellschaft: Ingold Airlines
Auf dem Dach des Hauses, in dem sich das Künstlerprojekt Büro Berlin befand, stellte Res Ingold, Gründer und Leiter der Fluggesellschaft Ingold Airlines, im Jahr 1982 Landungslichter für Hubschrauber auf. Die »Helioport« genannte Installation erregte das Mißtrauen der Sicherheitsbehörden, die sich wegen des Staatsbesuchs des amerikanischen Präsidenten Reagan in Alarmbereitschaft befanden. »Helioport« wurde als Sicherheitsrisiko eingestuft und abmontiert.
Das Vor-Bild für Ingold Airlines sind konventionelle Fluggesellschaften, die das Ziel verfolgen, profitable Transportmöglichkeiten anzubieten. Ingold Airlines formuliert dem entgegen lediglich das korporative Modell einer Fluggesellschaft und nennt sich selbst »Luftverkehrsgesellschaft«. Ingold Airlines existiert nur auf der ästhetischen Ebene. Das Logo dieser fiktiven Fluggesellschaft bestand zunächst aus dem Schriftzug »Ingold Airlines« und einem stilisierten Heckleitwerk, in das ein »i« eingeschrieben war (Abb. 47). Nach einem Relaunch, dem gegenwärtig beliebten Versuch, traditionelle Unternehmen dem Neuigkeitsversprechen des Jahrhundertwechsels anzupassen, besteht das Logo nur noch aus einem »i«, das an ein Icon einer Computerbenutzeroberfläche erinnert.
Ingold Airlines tritt mit unterschiedlichen Funktionen auf: Das Werbematerial von Kunstausstellungen zeigt ihr Logo in der Funktion eines Sponsors, oder sie tritt als Veranstalter von Ausstellungen auf, je nach den Möglichkeiten, die die Öffentlichkeitsstrategie einer Institution bietet2, wobei sie auch im Kontext von Flugmessen Kunstprojekte realisiert.
Von Ingold Airlines verwendete Abkürzungen wie »CATSE«, für »Catalogue-service«, oder »LIFTAX«3, für den individuellen Taxilift zum Abflugort, persiflieren die in den 80er Jahren neu entwickelte Werbe- und Marketingsprache. Bezeichnend…