Jürgen Raap
Unterbezirksdada: Pilatus-Komplex
Galerie Inge Baecker, Köln, 18.9. – 31.10.1997
Die moderne Psychoanalyse begreift den neurotischen Waschzwang als ein praktisches wie rituelles Reinigen von Schuldgefühlen: Sigmund Freud sah gerade in der Verbindung von Zwangsstörungen mit den religiösen Ritualen der Ablution einen Versuch, sich vor persönlicher wie kollektiver Angst zu schützen. Pontius Pilatus wusch seine Hände in Unschuld und drückte damit symbolisch die Ablehnung von Verantwortung aus, bereicherte dadurch später die psychologische Terminologie um den Begriff “Pilatus-Komplex”.
Die Kölner Künstlergruppe “Unterbezirksdada” (Cornel Wachter und Elmar de Saint Schmitt) illustriert dieses Phänomen im Rund des alten Römerturms, der sich an die Galerieräume anschließt: der Kachelboden und die mit inzwischen teilweise abblätterndem Weiß gekalkten Wände suggerieren die Aura eines katakombenhaften Ritualraumes, in der Waschung – etwas durchaus Intimes – mit einer gewissen Heimlichkeit stattfinden könnte. In der Mitte sind Gipsbeine in eine Waschschüssel gestellt worden. Sie befindet sich auf einem Sockel, der eine Überhöhung in mehrfacher Hinsicht leistet. Zeichnungen und Fotos mit Darstellungen von Hand- und Fußwaschungen an den Wänden komplettieren die Installation. Die Atmosphäre des Raumes und die Inszenierung der Installation erscheinen als Antipode zu den Schilderungen öffentlicher Badehäuser, wie wir sie z.B. in den Texten des Pariser Surrealisten Louis Aragon finden.
Manche der Exponate in den eigentlichen Galerieräumen enthalten ebenfalls Anspielungen auf die Waschkultur, doch sind diese Arbeiten weniger parabelhaft. Die Übermalungen von Postkarten mit alter Persilwerbung oder die Gipshände mit Rüschenmanschetten auf rotem Samtkissen, deren Finger ein Stück Seife umkrallen, sind als bildnerische Übersetzung von Tiefenpsychologischem ironischer. Hier verzichten die Unterbezirksdadaisten auch auf…