Peter Funken
Unter Bäumen
»Die Deutschen und der Wald«
Deutsches Historisches Museum, Berlin, 2.12.2011 – 4.3.2012
In seinem philosophischen Hauptwerk „Masse und Macht“ schreibt Elias Canetti 1948: „Das Massensymbol der Deutschen war das Heer. Aber das Heer war mehr als das Heer: es war der marschierende Wald. In keinem modernen Land der Welt ist das Waldgefühl so lebendig geblieben wie in Deutschland.“ Gut 60 Jahre später hören sich diese Sätze ein wenig kurios an – heute haben fast 16 Millionen Menschen in der BRD Migrationshintergrund und „das Heer“ schrumpft, obwohl es aus Wirtschaftsinteressen unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt. Das Heer ist nicht länger deutsches Massensymbol, dann schon eher der Wald, und der hat eine Geschichte. Diese rollt die Ausstellung „Unter Bäumen“ detailliert auf, unter diversen Gesichtspunkten – kulturellen, national-politischen, wissenschaftlichen, ökologischen, wirtschaftlichen, touristischen und kriminologischen. Der Wald ist dabei Bühne der Macht, Naherholungsziel, nationaler Sehnsuchtsraum, Märchenkulisse, Teil der Populärkultur, Tatort und Spekulationsobjekt der Forstindustrie. Anhand hunderter Exponate bringt „Unter Bäumen“ zur Anschauung, wie die allmähliche Entwicklung des Naturraums „Wald“ zur Projektionsfläche für Vorstellungen und Gestaltungen wurde. Leider sieht man dadurch manchmal vor lauter Exponaten die Ausstellung nicht mehr. Diese findet in schummrigem Halbdunkel statt richtet sich als kulturhistorisches Projekt an alle Altersgruppen.
Vermeintlich beginnt die deutsche Geschichte im Wald: Darin sind die Deutschen ein „Waldvolk“, das seine Gegner aus dem Unterholz angreift. Solche aus römischen Quellen abgeleiteten Zuschreibungen wurden Ende des 18. Jahrhunderts populär. Vor allem die Besetzung durch Napoleons Truppen und die folgenden „Befreiungskriege“ 1813 bis 1815 beförderten die deutsche Sehnsucht nach politischer…