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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 40 - 43
Fragen zur Zeit ,

Fragen zur Zeit
Unendliche Gegenwart?

In einem ehemaligen Bahnhof wird die Ewigkeit ausgerufen und Vergänglichkeit demonstriert
Michael Hübl

Ende einer Endstation: Die wenigste Zeit durfte der Hamburger Bahnhof in Berlin das sein, wofür er gebaut war. 37 Jahre diente er dem Zugverkehr. Dann, 1884, war Schluss und es begann ein langer Prozess der Umnutzungen oszillierend zwischen allgemeinem Zuspruch und absichtlicher Vernachlässigung, politischen Zwängen und ökonomischen Interessen. Da klingt es wie trotziges Aufbegehren gegen den Lauf der Geschichte, wenn die Nationalgalerie als aktuelle Hausherrin des restaurierten und 1996 wiedereröffneten Gebäudes eine „Unendliche Ausstellung“ präsentiert.

Stand heute1 umfasst sie 19 Kunstwerke, Interventionen und Skulpturen, die an unterschiedlichen Orten zu sehen sind. Anders als für temporäre Ausstellungen soll für die 19 Arbeiten kein Datumslimit gelten. Meist ist in einem solchen Fall die Rede von ‚Dauerausstellung‘ oder von ‚permanenter Sammlung‘. Wie bescheiden oder (mit Ironie betrachtet) nachgerade engstirnig wirken diese Bezeichnungen neben einem in die infiniten Weiten von Raum und Zeit sich erstreckenden Attribut wie ‚unendlich‘. Kunst ohne Grenzen. Kunst für die Ewigkeit.

Dabei macht eine zeitgleich eröffnete Auswahl von rund 80 Arbeiten im Westflügel des Hamburger Bahnhofs2 deutlich, dass es so etwas wie eine mitunter kurze ästhetische Halbwertzeit gibt. Unter dem Titel Platinum hat Selma Selman einem Rudel ausgeschlachteter Pkw-Karossen Raum verschafft. Grau, an manchen Stellen verrußt liegen sie da und lassen den Glanz luxuriöser Nonchalance verblassen, mit der einst César Baldaccini nicht nur ausgesuchte Schrottplatzfunde, sondern auf Wunsch auch schon mal Neuwagen dem Gestaltungspotenzial einer Hydraulikpresse anvertraute. All inclusive, versteht sich, denn Ende der 1950er-Jahren und…

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