Jochen Becker
Unbehagen der Geschlechter
Gender Trouble – 80er und 90er Jahre in New York
Neuer Aachener Kunstverein, 30.5. – 11.7.1999
Welche neue Form von Politik zeichnet sich ab, wenn der Diskurs über die feministische Politik nicht länger von der Identität als gemeinsamen Grund eingeschränkt wird?”, schrieb Judith Butlers in ihrem bahnbrechenden, 1990 veröffentlichten Buch ‘Gender Trouble’. Die so benannte Ausstellung des Neuen Aachener Kunstvereins lässt eine über zehnjährige Kunstpraxis im Umfeld AIDS-aktivistischer, feministischer und schwul-lesbischer Gruppen sowie Grafiker- und KünstlerInnen Revue passieren, bei der Queer Culture als nicht-geschlechtsidentitäre Politik im Vordergrund stand. Dennoch führt der Ausstellungstitel in die Irre, da auf Butler nicht weiter Bezug genommen wird. Die von Gisela Theising und Lutz Hieber aus ihrer Sammlung kunstaktivistischer Plakate heraus kuratierte Präsentation zeigt rare Druckwerke, Videos und Dokumente sowie dezidiert künstlerische Arbeiten im Umfeld des New Yorker AIDS-Aktivismus. Schon vor Jahren stellten die SoziologInnen aus Hannover in zwei Ausstellungstourneen zentrale Texte erstmals in Übersetzung vor, und auch die Aachener Präsentation wird durch hilfreiche Kopien unterstützt. So liegen auf der Fensterbank Materialien, Bücher und Farbausdrucke von Web-Seiten (www.actupny.org, www. echonyc.com/~dam) aus oder lassen sich unter aktuelle Informationen nachladen.
Die “AIDS-Krise” ist weniger eine Frage der Medizin denn der Ökonomie, der Sozialpolitik sowie der alltäglichen Homophobie. Auf die sexuelle Befreiung der späten 60er Jahre folgte zu Beginn der 80er Jahre eine Zeit der Selbstzüchtigung. Um dieser durch die Präsidenten Reagan und Bush sowie Senator Helms oder Kardinal O’Connor geprägten Ära der “Familienwerte” entgegenzutreten, starteten Aktionsgruppen aus dem New Yorker Kunst-, Werbe- und Medienmilieu heraus…