Ulay Life-Sized
Grenzen überschreiten
Schirn Kunsthalle Frankfurt 13.10.2016 – 08.01.2017
von Thomas W. Kuhn
Gleich der erste Raum wirkt sakral. Spots beleuchten im abgedunkelten Saal eine Reihe von gerahmten, hochformatigen Polaroids. In der Mitte liegt auf einem Sockel ein Buch aus dem Jahr 2000, das der Ausstellung ihren Namen gab. Aufgeklappt erreicht das Buch ein Format von 90 mal 210 cm und zeigt Ulay auf der geöffneten Seite lebensgroß als gespenstisch weiß gekleidete Gestalt. Nicht zufällig erinnert die Präsentation an eine Liegefigur auf einem Sarkophag. Die Inszenierung Ulays (d. i. Uwe Laysiepen, *1943 in Solingen) in der Frankfurter Schirn gemahnt an eine Grabkammer, wohl die eigene.
Dies mag als kritischer Kommentar auf die Institution des Museums gemünzt sein. Sie ist aber in erster Linie eine Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit. 2012 war Ulay an Krebs erkrankt, verbunden mit der Prognose einer nur noch kurzen Lebenszeit, die sich nach intensiver, medizinischer Behandlung als Irrtum erwies. Bereits 1974 publizierte der Künstler eine Postkarte in der Optik einer Todesanzeige, zum 25. Dezember des Jahres mit dem Text „Mein Abschied als einzige Person“.
Sichtlich religiös konnotierte Ikonografie begleitet existenzielle Fragen. Dies betrifft insbesondere das Werk „GEN. E. T. RATION ULTIMA RATIO“ von 1972. Als politisches Statement gedacht, ließ sich Ulay den kurzen Text auf den Unterarm tätowieren. Ein Arzt entfernte anschließend chirurgisch und ohne Narkose das Stück Haut. In der Ausstellung wird dieses Stück Haut wie die Reliquie eines Märtyrers präsentiert: auf rotem Grund aufgespannt, von einem prachtvoll vergoldeten Rahmen umfasst. Die das Stück Haut…