Elisabeth Brockmann
Über Flussers Tod
Ein Leser von Vilém Flussers “Gesten” erwähnte im Gespräch, daß darin eigentlich noch ein Kapitel über die Geste des Schweigens fehle. Etwa zur selben Zeit verunglückte der Autor tödlich. Ironie des Schicksals nennt man das. Doch bin ich sicher, daß das Schicksal weder von dem einen noch dem andern etwas wußte.
Der Verleger Stefan Bollmann ruft mich an und sagt, er habe eine unangenehme Nachricht. Augenblicklich fangen die Gedanken zu rotieren an: Unangenehm? Wandert er nach Australien aus? Oder ist der Verlag pleite? Mehr Zeit zum Spekulieren bleibt nicht, dann höre ich die Nachricht: Vilém Flusser ist tot. Einen Augenblick habe ich Lust, auf der unangenehmen Nachricht zu bestehen – und diesen Schlag hier einfach abzulehnen. Das ist der erste Gedanke.
Fast zeitgleich kommt der zweite: Wieso denn tot? … Und sie entfährt mir, die blödsinnige Frage: “Wieso?” Während ich die Erklärung höre, daß er und wie er in der letzten Nacht bei einem Autounfall umkam, stelle ich fest, daß ich das mit meinem “Wieso?” nicht gemeint habe. Auch nicht im Sinne von Warum? Wo ist der Sinn? Eher schon: Wie kann es so sein? Ich bin empört.
Der Tod kommt einem selten gelegen. Aber das hier ist eine brutale Unterbrechung der Lust. Seiner Lust an seiner Arbeit. Meiner Lust an meiner Arbeit. Und des Vergnügens an der Verbindung zwischen beiden. Er hat mir Mut gemacht am Anfang eines neuen Abschnitts meiner Arbeit. Das hört jetzt auf. Und mir fehlt jede Akzeptanz für das sogenannte Schicksal. Ich möchte jemanden…