Amine Haase
Über alle Abgründe hinweg
»Doris Salcedo “Shibboleth” ist das achte Projekt« der Unilever Series in der Turbinenhalle der Tate Modern, London, 9. 10.2007 – 6. 4.2008
Früher war die rechte Themseseite „die falsche Seite“ Londons, heruntergekommen, arm, nicht ungefährlich. Das hat sich geändert, nicht zuletzt dank der Künste, die sich dort angesiedelt haben. Dort, wo einst Shakespeare’s „Globe Theatre“ Bestandteil des fern der Innenstadt liegenden Vergnügungsviertels war, kann man nach dem Überqueren der Westminsterbridge von einer Kulturstätte zur nächsten wandern – von der Hayward Gallery der Royal Festival Hall und dem National Theatre bis zur Tate Modern und dem neuen alten Globe. Und darüber dreht sich, ständig von Touristen umlagert, das Riesenrad „London Eye“.
Kultur ist in London meistens gemischt mit Entertainment. Sich über Kunst zu verständigen, ist zwischen Kontinental-Europäern und den britischen Inselbewohnern nicht immer einfach. Wie schwierig muss es da für eine Künstlerin aus Kolumbien sein, ihre Idee im Flaggschiff der zeitgenössischen Kunst an der Themse umzusetzen und sich mit Fragen und Kommentaren des Publikums auseinanderzusetzen. Doris Salcedo 1958 in Bogota geboren, hat es gewagt – und genau die Problematik der Kommunikation und Verständigung thematisiert.
„Shibboleth“ nennt sie ihre Arbeit in der Turbinenhalle der Tate Modern. Shibboleth meint einen Sprach-, beziehungsweise Sprechtest, durch den man erfährt, ob die Testperson zu einer bestimmten Kultur- und Sozialgruppe gehört oder nicht. Nach dem Alten Testament ist Shibboleth ein Code-Wort, das für die ephraimitischen Flüchtlinge über Tod und Leben entschied; zweiundvierzigtausend Ephraimiten sollen den Test nicht bestanden haben – und von den Männern…