London
Turner Prize 2024
Tate Britain 25.09.2024 – 16.02.2025
von Edgar Schmitz
Im diesjährigen Turner Prize stehen sich Lebens- und Erfahrungswelten gegenüber, die sich allesamt provokativ zu den immer wieder dominanten Erzählungen britisch-imperialer Geschichte und ihrer Leitkultur positionieren.
In Pio Abads Arbeiten ist das vor allem eine Auseinandersetzung mit der Funktion des Museums als Versatzstück in den Prozessen kolonialer Aneignung. Er erzählt anhand von Objekten die Geschichten, durch die diese sich weltpolitisch, deplatziert, letztlich in britischen Institutionen wiederfinden. Am emblematischsten ist das wohl in den beiden Repliken eines Romanov-Diadems, das Abad auf der Basis eines Fotos der britischen Gesellschaftsikone Gladys Deacon rekonstruiert. Die Duchess of Marlborough hatte das Schmuckstück 1927 bei Sotheby’s ersteigert, wo Stalin sie nach der Hinrichtung des Kaiserpaares zur Auktion freigegeben hatte. Die symmetrisch angeordneten Repliken im Ausstellungsraum fungieren als Versatzstücke der Geschichte und lediglich monochromes Schattenbild des ursprünglichen Objektes, dass hier weniger als Bild, denn als narratives Fragment funktioniert. In anderen Arbeiten stellt Abad Versatzstücke seines Ateliers mit philippinischen Artefakten in westlichen Museen zusammen, oder rekonstruiert das Leder, das im Ashmolean Museum in Oxford als erstes angeblich freiwilliges Tauschobjekt zwischen britischen Siedlern und einem amerikanischen Stamm vorgeführt wird. Abads akribisch handgezeichnete Version problematisiert sowohl die museale Vorführung als auch deren beschwichtigende Rahmenerzählung. In der Konstellation aus Artefakten, archivarischen Verweisstücken und historischen Arbeiten anderer Künstler, irritiert der auf den Philippinen aufgewachsene Künstler bewusst die Präsentationszusammenhänge westlicher Sammlungen. Die Präsentation in der Tate für den Turner Preis beruht dabei wiederum auf Abads Ausstellung im Ashmolean Museum in Oxford selbst, in dem…