Oldenburg
Tuấn Andrew Nguyễn
When Water Embraces Empty Space
Edith-Russ-Haus für Medienkunst 30.10.2024–05.01.2025
von Rainer Unruh
Das Luf-Boot hat nie Kontakt zum Wasser gehabt. Keine Wellen haben sich am Bug des Einbaums aus Brotbaumholz gebrochen, kein Wind ist in die Segel gefahren, um das rund 16 Meter lange Gefährt über die Meeresoberfläche zu jagen. Der deutsche Kaufmann Max Thiel von der Firma Hernsheim & Co. hatte den hochseetauglichen Zweimaster 1902 in Papua-Neuguinea vor der Jungfernfahrt in seinen Besitz gebracht. Ende April 1903 verkaufte er das Kanu für 6.000 Mark an das Berliner Völkerkundemuseum. Ein Postdampfer brachte das zerlegte und verpackte Schiff nach Deutschland. Heute steht es im Berliner Humboldt Forum.
Vielleicht aber auch nicht. Tuan Andrew Nguyen (Jahrgang 1976) erzählt eine andere Geschichte. Sein Video Above the Sea, Against the Sky (2024) lässt dem Luf-Boot, benannt nach der Insel, auf der es gebaut wurde, poetische Gerechtigkeit widerfahren. Auf einer Breite von 14 Metern erstreckt sich die Projektion im Edith-Russ-Haus für Medienkunst, sodass der Einbaum fast im Maßstab 1 : 1 erscheint. Wie von Geisterhand bewegt, dreht sich das computergenerierte Boot im Video um seine Achse und ändert dabei seine Gestalt, erscheint mal realistisch und mal wie eine schwarzweiße Konstruktionszeichnung. Erst treibt es auf dem Meer, dann brennt es, schließlich mutiert es zum Geisterschiff. So hatten es die Südseebewohner*innen als Bestattung für ihren letzten Häuptling geplant. Sie wollten ihn mitsamt dem Boot in Flammen aufgehen lassen. Doch es lebten nicht mehr genug Männer auf der Insel, um den schweren Einbaum ins Meer zu schieben. 20…
