Bernd Schulz
Trotzdem weitermachen
(Tagebuchnotizen)
(Auf dieses Motto kam ich vor drei Wochen, als ich müde und hungrig eine Pizzeria aufsuchte. Ich traf dort zwei Bekannte, die bereits ihren italienischen Salat gegessen hatten. Beide sind Künstler, beide Kunsterzieher, der eine ist noch dazu Galerist. Beide sind für die Provinz geradezu sensationell progressiv. Der eine macht Kollagen aus ausgerissener Pappe, der andere Monochrome und serielle Reihungen. Über ersteren mache ich gerade einen Film (einen Film über die Schwierigkeiten, heute Kunst zu machen). Bevor wir miteinander ins Gespräch kommen, nutze ich das scheinbare Studium der Speisekarte, um ein paar Eindrücke in meinem Kopf zu ordnen.)
Hoffentlich redet heute keiner über Kunst, denke ich und bestelle Salat und Rotwein.
Ein paar Tage vorher in Offenbach: Eine Großveranstaltung des wiedererstandenen Club Voltaire, Thema: Zensur in den Medien. Gemeint sind Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen. Daß von Kunst keine Rede ist, kümmert keinen. Hat da nicht mal einer gesagt, Kunst spiele in der gesellschaftlichen Kommunikation eine wichtige Rolle? Ich versuche zu erklären, warum Kritikfähigkeit, Mut zum Widerspruch und die Fähigkeit zu differenzieren nachlassen, daß wir es nicht mehr mit Einzelpersonen und ihrer Verantwortung zu tun haben, sondern mit Systemeigenschaften, die den einzelnen Menschen immer mehr zur Anpassung an die Super-strukturen zwingen. Auf dem Heimweg nach Saarbrücken denke ich: Es gibt im Augenblick wichtigeres als die Kunst. Am nächsten Tag fällt mir eine alte Notiz in die Hände, nach der über 80% unseres Lernens über die visuelle Wahrnehmung erfolgt. Am selben Abend bringt das ZDF im Heute-Journal einen Bericht über Offenbach. Zwei…