Hamburg
Trauern.
Von Verlust und Veränderung
Hamburger Kunsthalle 07.02.– 02.08.2020
von Hajo Schiff
Kunst ist ein stark selbstreferentielles System. Wie also Besucher locken, wenn Leonardo und van Gogh nicht immer zur Verfügung sind? Die Hamburger Kunsthalle wirbt in Gruppenausstellungen mit Themen, die Alltagswidrigkeiten ins Bild setzen: „Scheitern“ war 2013 Thema, dann folgte 2017 „Warten“ und nun „Trauern“. Das, was gerne vermieden wird, gezeigt zu bekommen, verhilft zum besseren Umgang mit unangenehmen Grenzphänomenen. Das hemmungslose Weinen eines Mannes in Großaufnahme berührt immer noch seltsam. Und dabei ist es egal, dass dieses Video von Bas Jan Ader schon von 1970 ist und er selbst schon seit 1975 aus dem Leben, nicht aber aus der Kunst verschwunden ist.
Schon im Lichthof der Galerie der Gegenwart schweben melancholische Töne: Turnerpreisträgerin Susan Philipsz bringt eine schottische Wehklage aus dem 15. Jahrhundert zu Gehör. Ansonsten geht es in dieser weitgefächerten Ausstellung gerade nicht um die Topoi und den Kanon des historischen Umgangs mit Seuchen, Tod und Trauer. Knapp 30 moderne und gegenwärtige Künstler*innen geben in allen Medien Aspekte des Themas vom intimen Verlust zu angeordneter Staatstrauer, vom Weltschwund durch Demenz zu traurigen Objekten, deren Sinn sich nach dem Tod des Sammlers verliert, von Bildern syrischer Kriegsopfer zu Ataa Okos und Kudjoe Affutus Sargdesign aus Ghana.
Ein Künstler, bei dem die Gefährdung des Schicksals, das Verblassen der Erinnerung und die Vergeblichkeit der Archive zum Kern fast aller seiner Arbeiten gehört, ist Christian Boltanski. So musste auch sein Gedenkraum mit den über tausend Blechkisten der „Suisses Morts“, ohnehin im Besitz der Kunsthalle, in…