Claudia Herstatt
Trau Deinen Augen
Otto Dix – Arbeiten auf Papier aus dem Otto Dix-Haus in Gera
Raymond Pettibon – Wandzeichnungen
Kunsthalle zu Kiel, 26. 9. – 22. 11. 1998
Fünfzig Meter lang ist die deckenhohe blutrote Welle, die der 1957 in Kalifornien geborene Raymond Pettibon in der Kunsthalle zu Kiel von einer Wand herunterschwappen läßt. Aus einem Magazin für Surfer hat der ehemalige Holzfäller, Händler auf einem Gelegenheitsdampfer, Reporter und Barmixer – wenn man seinem selbstverfaßten Lebenslauf Glauben schenken mag – den idealen Wellenrücken riesenhaft hochkopiert und mit schnellen Pinselstrichen auf die Wände aufgetragen.
Das gewaltige Wellengebilde ist das Rückgrat einer ungewöhnlichen Künstlerbegegnung: auf oder fast sogar in den Wandzeichnungen des aus der Punkszene der amerikanischen Westküste stammenden Pettibon hängen Arbeiten auf Papier von Otto Dix. Und im Zenit des Surferglücks der graphische Radier-Zyklus “Der Krieg”.
Darf man das, macht das Sinn? Hans-Werner Schmidt hat sich das ausgedacht, gut erwogen und dann nicht gezögert. Schon lange war es der Wunsch des Direktors der Kunsthalle zu Kiel, die Papierarbeiten von Otto Dix aus Gera zu zeigen. Die intime Atmosphäre seines Geburtshauses sollte und konnte in den großen Sälen der Kunsthalle nicht nachgestellt werden. Als sich die Gelegenheit ergab, den eher in sich zurückgezogenen und nicht einfach anzusprechenden Amerikaner zu kontaktieren und in ein Gespräch über Leben und Tod, Krieg, Leid und Religion zu verwickeln, sagte dieser zu, flog mit den Kieler Bauplänen und dem Werkverzeichnis aus Gera heim nach Kalifornien, um mit einem fertigen Konzept zurückzukommen.
Die Arbeiten des Hauptvertreters des Nachexpressionismus mit denen eines 66…
