Touhami Ennadre
Touhami Ennadre wurde 1984 mit dem internationalen Preis der Kritik der Stadt Arles ausgezeichnet. “Die Kunst der Reportage beherrscht er also perfekt”, schreibt François Aubral. “Das unterscheidet ihn nicht von vielen anderen begabten Fotografen. Mehr noch, es sagt uns nichts über das in hohem Masse fotografische Werk, das derzeit von ihm geschaffen wird und das sich jeder Einordnung entzieht.” Der Autodidakt Ennadre sieht sich denn auch nicht als Fotograf, sondern als bildender Künstler: “Ich fotografiere nicht, weil ich nicht malen kann, sondern weil die Fotografie das geeignetste Mittel ist, um meine Realität darzustellen.”
In seinen Arbeiten widmet Ennadre sich dem Leben in seiner lebendigen und versteinerten Form. Das Natürliche und Kreatürliche faszinieren ihn. Vor pechschwarzem Hintergrund verschränken sich afrikanisch-europäische Hände. Ennadre fotografiert seine Motive, eine Plazenta, den ledrig-faltigen Rücken einer alten Frau, ein schreiendes Neugeborenes, Tierkadaver aus dem Schlachthof, Skelette und Totenschädel von Ausgrabungen in Pompeji, aus der immer gleichen Entfernung von 18 Zentimetern, frontalperspektivisch, mit Weitwinkelobjektiv und Blitz. Erst die sich im Labor anschliessende, vielfache Manipulation der Aufnahmen sowie deren starke Vergrösserung (120 x 160 cm) erzeugten, wie Eva Karcher in der “Süddeutschen Zeitung” (Nr. 278/1986) treffend schreibt, “jene eigenartige Plastizität und fossile Oberflächenstruktur, die die Bilder zu Archetypen von Lebensäusserungen machen”. In der Dunkelkammer erhalten die Bilder ihre Dramatik, ihren religiösen und mystischen Hauch, der sie in ästhetische Ebenen zwischen Leben und Tod, Figuration und Abstraktion entrückt. Eva Karcher dazu: “Die Körper in ihrer Ausgesetztheit, Hilflosigkeit und Qual, ebenso wie die Schädel und porösen Gebeine der pompejianischen Serie…