Renate Puvogel
Tony Oursler
Videotapes, Dummies, Drawings, Photographs, Viruses, Light, Heads, Eyes, and CD-ROM
Kunstverein Hannover, 16.5. – 21.6.1998
Tel Aviv Museum of Modern Art und City Gallery Wellington, Neuseeland
Es war dringend geboten, endlich in Europa das Werk von Tony Oursler in ganzer Breite vorzuführen, denn der aufmerksame Kunstfreund verband mit dem Namen des amerikanischen Künstlers bislang vornehmlich seine ungreifbar-ergreifenden, verängstigt lamentierenden Dummies. Diesen verkürzten Blick rückt nun eine Ausstellungstournee mit einer imponierenden, rund zwei Jahrzehnte umfassenden Werkschau zurecht. Eröffnet wurde sie im Kunstverein Hannover in der Sophienstraße, dessen ringförmige Anlage dazu prädestiniert ist, die Ausstellung analog zum Katalogaufbau als fließende Folge von neun Werkgruppen zu gliedern. Dies erleichtert nicht nur, werkbedingt tageshelle als auch abgedunkelte Räume zu schaffen, sondern dient der Dramaturgie; sie bewahrt den Betrachter davor, dem Suggestiven der psychisch arg zusetzenden Schaustücke gänzlich zu erliegen, sie gewährt ihm statt dessen die nötige Distanz zu eigener Denkanstrengung.
Bereits Ourslers frühe Videos, schon 1976 während seines Studiums am California Institute for the Arts in Los Angeles entstanden, zeigen einen experimentell eigenwilligen, ja untypischen Umgang mit einem Medium. Zunächst hat Oursler mit farbig bemalten, bedruckten und geschnittenen Papieren und Pappen, mit Knetmasse, Spielzeug, Objekten und Fundstücken phantastische Miniaturbühnen gebastelt; in den Räumen spielen sich groteske und unheimliche, alltägliche wie surreale Szenen ab; sie geraten so ausnehmend absurd, weil der Künstler selbst mit Kopf und Hand in dem Puppen-Theater auftaucht und in die Handlung eingreift; Dimensionen und Realitätsebenen geraten durcheinander und der Künstler ist gleichzeitig Erfinder, Regisseur, Akteur und Betrachter seiner selbstgeschaffenen Welten. Sämtliche…