DIETER BUCHHART
Toni Kay
»reflected in an unmarked space«
Museum Moderner Kunst, Wien, 1.2. – 2.2.2002
Im Oktober 1984 nahm die österreichische Boulevardpresse “die Jagd” auf einen “unbekannten Felsschmierer” namens -agk- auf, der seine Graffitis statt auf urbane Mauern und Eisenbahnwaggons auf Felsen idyllischer Berglandschaften Tirols sprayte. Journalisten, Bergkameraden, Lokalpolitiker und Anrainer waren zutiefst empört und formierten sich mit ihren Schrotflinten und Gewehren zur Menschenjagd auf den “Landschaftsverschandler”, der in roter und blauer Farbe Gedichte und etruskische Weihesprüche auf die Felsen schrieb. Trotz intensiver polizeilicher Vorerhebungen und konzertierter Treibjagden wurde -agk-, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht war, nicht ausgeforscht. Zwei Jahre später staunte die Berggemeinde nicht schlecht, als jener Unbekannte die zweite Phase seiner Arbeit begann und seine Verszeilen mit rechteckigen Balken aus gelber witterungsbeständiger Farbe übermalte. Nach Verjährung der Taten Anfang der 90er Jahre outete sich der experimentelle Dichter und Künstler Toni Kay als Autor des “Mountainwork I” und publizierte dies unter dem Titel “Landmarkierungen”1.
Diese Markierungen können sowohl als eine Art Landnahme als auch als Codes eines Leit- und Orientierungssystems verstanden werden. Durch die teilweise Auslöschung der Schrift überschrieb Kay Sprache als Ausdrucksträger und Kommunikationsmittel mit einem anderen Zeichencode, mit Rechtecken in Signalfarbe. Indem er die Zeichen auslöscht, decodiert er diese grafischen Schriftlinien, die gleichzeitig recodiert werden. Sprache wird wie schon bei Öyvind Fahlströms konkreter Poesie zum frei experimentierbaren Material, wobei Kay weniger das grafische Potential auslotet als vielmehr die Codierungsmechanismen hinterfragt. Konsequenterweise lud er 2000 zum Thema “Decodierung:Recodierung” Schriftsteller, Wissenschaftler, Komponisten und Künstler in die…