Reinhard Ermen
Tomma Abts
Wenn die Bilder von Tomma Abts mit etwas beschäftigt sind, dann mit nichts anderem als mit sich. Möglicherweise handelt es sich um Selbstläufer; einmal in Bewegung gesetzt, wächst in gut 50 Schichten eine Entscheidung aus der anderen, bis alle Optionen zu einem relativen Ausgleich gelangen. Suzanne Hudson spricht in diesem Zusammenhang vom „Geben und Nehmen“. Das ornamentale Gebaren, das sich dabei formuliert und immer wieder korrigiert, kanalisiert die hier versammelten immanenten Seinsfragen, die Malerin antwortet auf die die Faktizität der gemalten Farbe. Vielleicht lässt sich Tomma Abts von der innerbildlichen Dialektik sogar überrollen, jedenfalls kann das manchmal lange dauern, wer genau hinsieht, mag ahnen, wie riskant sich der Arbeitsprozess gelegentlich am Abgrund des Scheiterns bewegt. „Ich hätte nichts dagegen, wenn ich schneller wäre“, sagt sie im Vorfeld des Turner Preises 2006 zu Sarah Thornton: „Manchmal brauche ich für ein Bild fünf Jahre, manchmal zwei. Kürzlich bin ich mit einem fertig geworden, das ich vor 10 Jahren angefangen habe.“ Davon zeugen Übermalungen, harte Schnitte in weichen Kurven oder umgelenkte, höchst diskrete Malbewegungen. Die Leinwand wird partiell schon mal freigelegt, so dass uralte, auch malträtierte Regenbogenstrukturen sichtbar werden. Man könnte sich an die Durchführungsabenteuer einer Sinfonie von Haydn erinnert fühlen, wo Sackgassen, unerwartete harmonische Farbwechsel oder Trugschlüsse das akustische Material modellieren. Achtung, Achtung: Der Schein trügt! Im Zustand der endlich zur Ruhe gekommenen Arbeit zeigt sich bei Tomma Abts eine Malerei der schönen Schmerzen und der autonomen Selbstreferentialität, der Prozess und das Ergebnis sind versöhnt, aber unter den Oberfläche…