VIOLA MICHELY
Tod als Performance?
JAMES LEE BYARS ODER ES LEBE DIE PERFORMATIVE KRAFT DER KUNST
“Schliere im Aug:
von den Blicken auf halbem
Weg erschautes Verloren.
Wirklichkeitsgesponnenes Niemals,
wiedergekehrt.”1
James Lee Byars (1932 im Mittleren Westen Amerikas geboren, 1997 in Kairo in der Nähe der Pyramiden gestorben), sich selbst überstrahlend, in goldenem Glitzerstoff, Samt oder Seide, tritt nun seit über zwei Jahren nicht mehr in Erscheinung. Er hinterließ – ohne festen Wohnsitz oder Atelier unaufhörlich auf Reisen – einen Schatz an Ideen, Kisten voller Briefe und Gastgeschenke bei denen, die ihn aufnahmen und halfen, ein Depot mit ausgewählten Kostbarkeiten, Mobiliar, Stoffen und Steinobjekten – bearbeitet nicht von ihm, doch nach seinen Vorstellungen und Entwürfen. Er hinterließ die Erinnerung an Inszenierungen, die einen ganz einnehmen und eintauchen lassen in eine andersgefärbte Sphäre der Kunst(?), des Todes(?), der Liebe(?).
Seit den späten 60er Jahren fehlte er auf keinem größeren Kunstereignis, sei es eine wichtige Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die documenta oder die Biennale von Venedig. Seine Auftritte waren immer begleitet von einem Hinauf – auf Hochhäuser, Museumsdächer, Denkmäler, Glockentürme, Türme jeglicher Art. Von dort rief er nach seinem Publikum, verteilte kleine Gaben, weiße, rosarote Briefchen mit verschlüsselten Wortgesten, später schwarze und goldene, ebenso Flüchtiges wie seine eigene Erscheinung: verhüllt, rätselhaft, das Gesicht im Dunkel.
Von diesem Charakter flüchtiger Präsenz, die dem Künstler und seinem Werk anhaftete, war in der nach dem Tod des Künstlers ersten größeren Byars-Retrospektive in der Kestner Gesellschaft in Hannover kaum etwas spürbar (siehe die konträre Besprechung in KUNSTFORUM Bd. 147). Gezeigt…