Rainald Schumacher
Toba Khedoori
David Zwirner, 4.5. – 8.6.1996
Nehmen wir einmal an, Kunst arbeitet wie ein breitenwirksames Placebo mit Langzeiteffekt. Sie kuriert mit vermeintlich homöopathischen Dosierungen die Widersprüchlichkeit, Verworrenheit und Leere der Existenz. Sie versöhnt mit der Unerträglichkeit des Gefühls der betörenden Schönheit, das alles, was existiert, auslösen kann, selbst wenn sie das Grauen sichtbar macht.
Das Placebo läßt das Dasein trotz Grauen und Entsetzen kontrollierbar und beherrschbar erscheinen. Ist es darstellbar, dann steht ein archaisches Werkzeug zur psychischen und intellektuellen Verarbeitung zur Verfügung. Im Gegensatz zur Machtlosigkeit angesichts des realen Sterbens und des wirklichen Todes, im Gegensatz zum Erleiden von Krankheiten und der Ohnmacht bei Naturkatastrophen, und im Gegensatz zum Verstummen vor all dem, was wir nicht wissen, vermittelt das Placebo den Eindruck derjenigen Distanz zu den dargestellten Phänomenen, die eine unabdingbare Voraussetzung jeglicher Reflexion ist.
So wie wir an einem sonnigen Tag meinen, mit unserem Schatten auf dem Gehsteig spielen zu können, so zeigt sich die Wirklichkeit als manipulierbarer Schatten, sobald das Placebo seine Wirkung entfaltet.
Die Ausstellung von Toba Khedoori bei David Zwirner überrascht durch die Ruhe, die sie vermittelt. Die 1964 in Sydney, Australien, geborene Künstlerin, die in Los Angeles studierte und lebt, arbeitet auf großen ausgerollten Papierbahnen. Diese Papierbahnen werden mit transparentem Wachs beschichtet. Mit großer Präzision werden in diesen Grund minutiöse Zeichnungen eingetragen und koloriert, die oft serielle, sich wiederholende Motive aneinanderreihen: Fenster und Türen von endlos langen Hausfassaden, Ziegelsteine, die Waggons von Zügen oder technische Konstruktionen wie Kräne, Treppen und Übergänge. Mehrere dieser Bahnen werden zusammengetuckert und…