Heinz Schütz
Tinguelys tönendes Schrottkabinett
Kunsthalle der Hypokulturstiftung, München 27.9.1985-6.1.1986
»Nicht also kürren und schorren die Ratzen, nicht also schreien und gmauzen die Katzen, nicht also pfeifen und zischen die Schlangen, nicht also rauschen und prasseln die Flammen, nicht also Schleppern und kleppern die Ratschen, nicht also plurren und schnurren die Prätschen« wie ein – um ein Gedicht des Barockpredigers Abraham a Sancta Clara abzuwandeln – Saal voll, in Bewegung gesetzter Tinguely-Maschinen.
Das Maschinengetöse dringt bis vor die Türe der Hypo-Kunsthalle und kontrastiert dem häufig als elegant apostrophierten Theatinerboulevard. Nicht feierliche Erhebung, nicht ehrfürchtiges, von Meisterwerken gebotenes Schweigen, sondern Geräuschchaos empfängt den Ausstellungsbesucher, nicht edle Materialien und ewige Werte, sondern Schrott und Bewegung. Erinnerungen an die Faszination mechanistischer Bewegung stellen sich ein und lassen an die »Westernsaloon« genannten Schießbuden der Jahrmärkte denken, wo jeder Treffer eine Apparatur in Gang bringt. Ähnlich hier an Tinguelys »Maschinenbar«: Auf Knopfdruck hebt sich ein Hammer und schlägt der Gummimaus auf den Kopf, auf Knopfdruck setzt sich ein umgestülpter Kochtopfdeckel in Bewegung und versetzt ein Stehaufmännchen in Schwingungen. Am Eingang postierte Tinguely »Fatamorgana (Meta-Harmonie Nr. 4)«, eine über zwölf Meter lange farbige Schrottapparatur, eine jener Tinguely-Maschinen, bei der die Mechanik der Maschine Selbstzweck ist und das Getriebe um seiner selbst willen in Gang gehalten wird. Im freien Spiel der Maschine im Bekenntnis zum Un-Sinn steht sie einer zweckrationalen Welt entgegen, zumal jener auf Exaktheit, Seriosität und Berechnung bedachten, an der der Veranstalter als Bank (zwangsläufig) teilhat.
Und doch wäre es falsch, den kritischen Impetus der Tinguely-Maschinen überzubetonen, kennzeichnet sie…