Heinz-Norbert Jocks
Tina Juretzek
Galerie Zimmer, Düsseldorf 24.10.-29.11. 1986
Juretzek im Bild von Juretzek: das dürfte eines der spannenden Dauer-Hauptthemen der 1952 in Leipzig geborenen, heute in Düsseldorf lebenden Künstlerin sein. Wo man hinschaut, begegnet man diesen flüchtigen Schattenmenschen ohne besondere Eigenschaften, so in dieses ins schöne Gleichgewicht gebrachte Farbmeer gesetzt werden, daß es unmöglich wird, überhaupt noch eine eindeutige Grenze zwischen Außen und Innen zu ziehen. Auf Anhieb wird spürbar, daß hier alle Türen aufgerissen werden. Gängige Klischees von Raum und Zeit kommen zum Erliegen. Die Künstlerin selbst bewegt sich durch kunstvoll inszenierte Labyrinthe, spaltet sich auf in einer unzählbaren Anzahl umschriebener Verkörperungen des sich selbst relativierenden Ichs, das sich unaufhörlich sucht und dabei auf eine verlorengeglaubte Zeit stößt, die auf einmal zusamenfließt mit der jetzigen.
Bei Tina Juretzek gibt es niemals ein Fortschreiten im Sinne des Fortschritts, im Sinne dessen, was noch nicht war, – nichts, was aus der Zukunft kommt. Die Gegenwart ist zunächst nicht eine künftige Möglichkeit, etwa derart, daß eine Figur auftaucht, die etwas Neues sagt, was noch nicht sagbar war. Es scheint, als gewahre die Malerin, selbst mitgerissen vom emotionalen Schwung jenseits des Kalküls, tief innen in den Figuren eine gefrorene Bewegung, die sich als eine noch nicht abgegoltene erweist. Wenn die Künstlerin sich zu ihren anonymen Figuren bekennt, deren Umrisse ins Nasse der aufgetragenen Farbe einbezogen werden, dann sicherlich nicht, ohne diese nach ihrem blitzhaften Auftauchen zum unvollständigen Verschwinden zu bringen. Was dabei stets zurückbleibt als fließende, aufgelockerte und aufgerissene Spur der wie im hellen Tagtraum…