Jörg Restorff
Timm Ulrichs
Kunsthalle Recklinghausen, 15.12.1991 – 2.2.1992
Die große Timm-Ulrichs-Ausstellung in Recklinghausen endete, wie sie begann: mit einer Mutprobe im Zeichen der Kunst. Zum Auftakt der seit längerem angekündigten, dann aber wieder verschobenen Retrospektive stand der hannoversche “Totalkünstler” zunächst einem veritablen Messerwerfer Modell. Das Ergebnis der zirzensischen Aktion, Ulrichs’ zum Glück gut getroffene Silhouette, doppelreihig und messerscharf auf Lindenholz verewigt, bildet ein weiteres Glied in der langen Kette von Körperaufnahmen, -abdrücken und -konturierungen, mittels deren sich Timm Ulrichs in immer neuen Varianten objektivierend entgegentritt. Am letzten Ausstellungstag schließlich gab Ulrichs eine weitere als “Crash-Test” betitelte Performance. Hier lag er, unsichtbar für die Besucher, dicht unter einer Rampe, deren erhöhter hinterer Teil frei an Stahlfedern aufgehängt war. Je mehr Neugierige sich auf die lose wippende Konstruktion wagten, desto belastender wurde der Publikumsandrang für Ulrichs, dessen Gesicht gleichzeitig auch noch via Monitor auf der Kommandobrücke der “via dolorosa” erschien.
Die über alle drei Etagen des tristen Kunsthallenbunkers sich erstreckende Schau dokumentierte durch eine repräsentative Auswahl von Objekten, Environments und Fotografien aus drei Jahrzehnten den Werdegang eines genuinen Konzept- und Ideenkünstlers. Von einer herkömmlichen Entwicklung mit deutlich unterscheidbaren Werkabschnitten läßt sich bei Timm Ulrichs freilich kaum sprechen: Der erkenntnistheoretische Ansatz seiner analytischen Kunstauffassung, die als exakte Untersuchung der Phänomene in Natur und Gesellschaft auftritt, damit verbunden ein sprachkritischer Impetus, der das Wort beim Wort nimmt und so das oftmals verblüffende Potential der Doppeldeutigkeiten unserer Begriffe spielerisch zutage fördert, ferner Ulrichs’ Kult um die als “lebendes Kunstwerk” deklarierte eigene Person, sein Hang zu Todessymbolik und…