Timm Ulrichs
Lebensfragen und Sterbensworte: “Die experimentelle Kinderpsychologie zeigt, wie ein wesentlicher Teil der Fragen, die ein sechsjähriges Kind stellt, faktisch kosmogonischer Art zu sein pflegt: wer das Wasser strömen macht, wo der Wind herkommt, auch Fragen nach dem Totsein usw.” (Johan Huizinga, “Homo Ludens”).1 Die letzten Fragen sind auch die ersten, auch hier; und ich stelle sie in (scheinbarer) Begriffsstutzigkeit, im buchstäblich wörtlich und bildlich genommenen Wort-Bild, in der Hoffnung, daß es sich zum Bild-Wort und Sinn-Bild verdichte. Spielerisch “Ich” und “Welt” in eins setzend, ist Welt auch alles, was mein persönlicher Fall ist, sind meine Spielpläne auch Weltmodelle, und wenn auch bescheidene, denn: “Die Rennbahn, der Tennisplatz, das aufs Pflaster gezeichnete Feld für das Kinderspiel Himmel und Hölle und das Schachbrett unterscheiden sich formell nicht vom Tempel oder vom Zauberzirkel” (Huizinga).2 Wer wie Novalis – in seinem unvollendeten Roman “Heinrich von Ofterdingen” (1799/1800 geschrieben und 1802 posthum erschienen) – die symbolträchtige “hohe, lichtblaue Blume” der Romantik sucht, der findet in ihr nicht nur einen Himmels-Schlüssel, sondern eher noch einen Schlüssel zum eigenen Verstehen, zum Selbst-Verständnis, zur Innen-Welt, zur eigenen Vertiefung, Verinnerlichung und Vergeistigung. (Wesentlicher aber als der endliche Fund eines sagen-haften und legenden-umwobenen Objet trouvé ist die Suche selbst, der Prozeß der Selbst-Findung, -Läuterung und -Sublimierung, – wie auch der Alchimist die veredelnde Quintessenz und den Stein der Weisen letztlich in sich selbst sucht.) Damit die blaue Wunderblume, die irgendwo im Verborgenen ihre seltenen und seltsamen Blüten treibt, nicht mit irgendwelchen mißratenen Ablegern oder wilden Trieben verwechselt wird (wie…