Thomas Vinson
Ziemlich genau in der Mitte des Querformats ist eine Linie zu sehen. Das wäre der Horizont, so ließe sich das jedenfalls mit Blick auf andere Realitäten sagen. Dieser Horizont ist ein ziemlich exakter, durchgehender roter Strich. Wahrscheinlich wurde er mit einem Filzer gezogen, am Lineal entlang. Satt und füllig liegt er auf dem guten Papier. Oben und unten, wenn man so will als Spiegelungen am Horizont, erscheinen jeweils zwei (ebenfalls durchgehende) Bleistiftlinien. Radikaler ist eine Zeichnung an sich kaum vorstellbar, denn mehr ist auf diesem Blatt von Thomas Vinson nicht zu sehen: „1 thick red + 2 double thin black.“ Der Titel der Arbeit fasst diese Sensation des Grundsätzlichen bereits zusammen. Es gibt freilich Blätter in denen Linien sich als Streifen artikulieren, in denen Vinson die Abstände der Leerzeilen unter sich variationsreicher anwendet oder die diskreten Materialwechsel häufiger praktiziert; wobei ‚Materialwechsel’ schon ein ziemlich starkes Wort ist, für die vorsichtige Nutzung unterschiedlicher Schreibgeräte. Das Grundsätzliche hat seine ganz eigene Komplexitätsspannung. Möglich wäre immerhin, dass so eine Versammlung horizontaler Linien gar nicht als Zeichnung wahrgenommen wird, doch ein seltsames, fast schon protestantisches „So und nicht anders“ hält diese Arbeiten am Rande des Nichts zusammen. Es herrscht eben ein beiläufiger aber selbstverständlicher Ausgleich mit dem Format, eine Symmetrie aus der Waagerechten heraus regiert den Zusammenhalt, der sich durch die angedeuteten materialen Akzente ansatzweise individualisiert. Die Lineatur akzentuiert einen Diskurs über Leere und Fülle. Dementsprechend gibt es hier kein Gramm zu viel, selbst der vorsichtige Einsatz von Farbe erscheint in dieser Balance…