Ursula Maria Probst
Thomas Ruff. Oberflächen,Tiefen
»Über Wirklichkeiten ersten und zweiten Grades Nähe auf Distanz«
Kunsthalle Wien, 21.5. – 13.9.2009
„Die Wirklichkeit vor der Kamera ist Wirklichkeit ersten Grades, die Abbildung der Wirklichkeit vor der Kamera ist Wirklichkeit zweiten Grades, danach gibt es alle möglichen Abstufungen und Verfälschungen“, kommentiert Thomas Ruff die wirklichkeitsbeschreibenden und –manipulierenden Möglichkeiten der Fotografie und des fotografischen Apparates. Unabhängig von Bild- und Fotografietheorien eines Vilém Flussers oder von W.J.T. Mitchells „Pictural Turn“ agiert Thomas Ruff in seinen Fotografien zunächst als scharfer Beobachter einer Bilderwelt, die er im Alltag, auf der Straße, in Zeitungen, Büchern, im Fernsehen oder Internet findet.
In seiner Ausstellung in der Kunsthalle Wien setzt Thomas Ruff mit 150 Werken aus elf seiner bis dato entstandenen zwanzig Werkgruppen das fotografische Sehen in eine rege Wechselbeziehung von Oberfläche und Tiefe, Nähe und Distanz, analogen und digitalen Verfahren. In Gegenüberstellung der Serien „Interieurs“, „Häuser“, „Porträts“, „Andere Porträts“, „Zeitungsfotos“, „Stereofotos“ „Sterne“ aus den 1970er, 1980er und 1990er Jahren mit seinen aktuellen Serien „Cassini“ (2008-2009) oder „Zycles“ (2008-2009) gerät das Spannungsfeld zwischen Autoren- und Apparatefotografie in dem sich Thomas Ruff bewegt zum divergenten Setting. Objektivität ist für Thomas Ruff längst kein neutraler Begriff.
Bereits in seinen großformatigen Porträts der 1980er Jahre durch die er bekannt wurde, wendet sich Thomas Ruff gegen autorenfotografische Klischees und befasst sich mit der Fotogenität des Motivs. Reflexion unterschiedlicher Wirklichkeitsgrade statt Authentizitätsgesten – auf diese Formel ließen sich die Porträts von Thomas Ruff bringen, durch die der bildverwöhnte Betrachter auf ein Gegenüber trifft, dessen…