JOHANNES MEINHARDT
Thomas Locher: Knots and Lines
Galerie Reinhard Hauff, Stuttgart, 21.2. – 12.4.2003
Thomas Locher zeigt in der Galerie Reinhard Hauff vier (von am Ende 7 oder 8) Arbeiten einer neuen Werkgruppe, die zu dem großen Projekt der ‘Human Rights’ gehört. In diesen vier großformatigen Textarbeiten – mit den Formaten 216 cm x 160 cm und 234 cm x 178 cm – nimmt er die Position eines gutgläubigen und zugleich kritischen Lesers ein, der zentrale Erklärungen oder Deklarationen liest, welche die Vereinten Nationen zu den Grund- und Menschenrechten der Flüchtlinge und Fremden abgegeben und anerkannt haben. Bei den Texten handelt es sich um Artikel 14.1 und Artikel 14.2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, 1948; sowie um zentrale Abschnitte aus der Genfer Flüchtlingskonvention, 1951 / 1954, und aus der Deklaration der Menschenrechte von Nichtstaatsbürgern, 1985.
Diese juristischen Deklarationen, deren juristischer und theoretischer Status kompliziert und umstritten ist, bearbeitete er mit handschriftlichen Unterstreichungen, Umrandungen, Streichungen und Auslöschungen und versah sie mit gedruckten und handschriftlichen Anmerkungen, Kommentaren, Verweisen und Fragen (teilweise in bunten Farben); vor allem jedoch mit Fragen, die ganz grundlegend das Verständnis und damit die Deutung, Interpretation oder Auslegung dieser Texte (die als gesetzliche Vorschriften, als einklagbare Rechte anerkannt sind) betreffen. Seine Fragen und Anmerkungen lassen den Charakter eines aktiven, mitdenkenden Lesens spürbar werden, eines mündigen Lesens, das die Voraussetzungen und Implikationen der Texte, ihre internen Bezugnahmen und Verweise, ihre Schwachstellen und – oft politisch gewollten – Undeutlichkeiten aufdeckt und befragt.
Solche scheinbar einfachen, aber den Text ganz grundsätzlich auf seine Wirkungsweise, seine Aussagen…