Noemi Smolik
Man steht vor mehreren Reihen einfacher Stühle, in deren Sitzflächen und Lehnen Sätze eingeritzt sind: “Ich weiß, daß das was ich sage, falsch ist, trotzdem denke ich, es könnte richtig sein.” – “Ich zu dir. Du zu mir.” – “Wir werden aneinander gedacht haben.” Oder: “Ich glaube, daß, wenn ich gewollt hätte, du gekommen wärest, vorausgesetzt, daß du einverstanden gewesen wärest.” Es sind Stühle und gleichzeitig auch wieder keine Stühle, weil es Kunstobjekte sind. Es sind Kunstobjekte, was sollen aber die Sätze, die zu den Stühlen in keinem Bezug stehen und die eher Verwirrung stiften? Man denkt automatisch an Joseph Kosuths “One and Three Chairs”, doch da verhielt sich die Sprache anders, sie bezog sich auf den Stuhl. Hier steht sie in einem Widerspruch zu dem Stuhl. Eigentlich sind es zwei Ebenen, die das Kunstobjekt von Thomas Locher bilden, die Sprache und der Stuhl. Doch was haben diese beiden gemeinsam, und was unterscheidet sie voneinander?
Einer der entscheidendsten wissenschaftlichen Beiträge dieses zu Ende gehenden Jahrhunderts war die Behauptung der Linguisten, daß das Zeichen sich mit dem Gezeichneten nicht deckt, d. h., daß ein Stuhl nicht ein Stuhl ist, es sei dem, man einigt sich darin. Daher ist die Sprache nicht, wie vorher angenommen wurde, mit sich selbst und der Welt identisch, sondern kann sich durch Systeme manifestieren, die Sache der Vereinbarung sind und die sich in ihren Strukturen durchaus voneinander unterscheiden können. Und dieser Unterschied ist das Entscheidende, denn erst im Bezug zu dem anderen können sich die Zeichen definieren….