Thomas Ganter
„Man with a Plaid Blanket“ und andere Perspektiven auf das Leben ohne Wohnung
Historisches Museum
22.06. – 08.10.2017
von Christian Huther
Irgendetwas stimmt nicht an dem Porträt. Der ältere Mann sitzt zwar vor einem goldglänzenden Hintergrund, dieser ist aber versperrt von einem Rollgitter. Auch der schäbige Parka und die abgearbeiteten Hände verraten, dass der Bärtige kein Adliger, kein Heiliger und kein König ist – wohl aber ein Obdachloser. Den malte der in Frankfurt lebende Künstler Thomas Ganter fast wie einen König im Mittelalter. Statt der Krone hat der Obdachlose Mütze und Kapuze über den Kopf gezogen und die Beine gegen die Kälte in eine karierte Decke gewickelt. Sein Thron ist ein Klappstuhl, die Hände ruhen während der Pause ineinander.
Karel arbeitet nämlich regelmäßig, er putzt an einer Kreuzung im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen zahllose Autoscheiben. Thomas Ganter sah Karel oft, wenn er aus dem Städel-Museum kam. Denn Ganter, der in Wiesbaden Kommunikationsdesign studiert hat und nun dort als Illustrator mit Kollegen eine Agentur betreibt, begeistert sich für die klassische Malerei. Er war sofort fasziniert von Karels Persönlichkeit und von seiner würdevollen Pose. So kam er auf die Idee, den Obdachlosen ins Mittelalter zu versetzen oder das Mittelalter ins 21. Jahrhundert zu holen.
Mit diesem realistischen Bildnis gewann Ganter 2014 den renommierten britischen „BP Portrait Award“, der mit 30 000 Pfund (37 400 Euro) dotiert ist, verbunden mit einer Schau und einem späteren Porträtauftrag. Angekauft aber wurde das fast lebensgroße Bild vom Historischen Museum in Frankfurt, das eine große Sammlung…