VALERIE STEEL
Theorizing Style: Subkultur und Fetischmode
In einer frühen Version des Aschenputtel Märchens schnitten sich die bösen Stiefschwestern Zehen und Fersen ab, um Aschenputtels Schuh aus Glas anziehen zu können und wurden durch eine Blutspur überführt. In William Kleins Film “Qui Étes-Vous, Polly Magoo?” (1965) erklärt ein Professor die versteckte Bedeutung dieses Märchens “in dem Wert von zierlichen Füßen und schöner Kleidung” und triumphierend schließt er: “Bitte schön: Mode ist, kurz gesagt, Fetischismus, Verstümmelung und Schmerz.”
Die gegenwärtige Mode ist in der Tat stark durch den sexuellen Fetischismus beinflußt. Nun ist der Punkt erreicht, an dem Korsetts, “martialische” Schuhe und Stiefel, hautenges Leder und Gummikleidung, sprichwörtlich alles, “was sich ein Fetischist erträumt”, von den heutigen Laufstegen nicht mehr wegzudenken sind. Eine ganze Palette von unterschiedlichsten Modedesignern, u.a. Azzedine Alaia, Jean Paul Gaultier, Tom Ford (Gucci), Claude Montana, Thierry Mugler, Anna Sui, Vivienne Westwood und der verstorbene Gianni Versace haben Haute Couture Mode mit bewußt “schrillen” (kinky) Schnitten entworfen. Was hat das zu bedeuten, wenn sich die modebewußte Frau wie eine Domina kleidet? Um zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen, muß man sowohl die Geschichte des Fetischismus, als auch die Verbindungen zwischen den subkulturellen Stilen und der Mainstream-Mode ausleuchten.
Zu einem Fetischobjekt kann fast alles erhoben werden – Peitsche, Haarbürste, Sicherheitsnadel, selbst die Lenkstange eines italienischen Rennrades. Am häufigsten sind es jedoch Kleidungsstücke – sicherlich deshalb, weil diese in enger Beziehung zum Körper stehen: Schürzen, Schuhe, Korsetts, Kleider, Brillen, Hüftgürtelhalter, Handschuhe, Taschentücher, Nachtmützen, Regenmäntel, Stiefel, Strümpfe, Unterwäsche und Uniformen. All das ist fetischisiert…