Marlies Grüterich
Theoriekult gegen subjektive Verständigung
über die Ikonographie moderner Malerei
Ein postmodernes Buch über moderne Kunst? Ulrich Loock / Denys Zacharopoulos, Gerhard Richter, Verlag Silke Schreiber, München 1985. Genie ist naheliegend oder es ist nicht.
Eine Richter-Publikation in deutscher Sprache war wieder fällig, seitdem die ungegenständlichen Bilder der vergangenen 10 Jahre die analytische Askese des früheren Werks als Entschlossenheit erkennen ließen, das eigene Desinteresse an Motiven als Interesse am Sehen zu genießen. Richters Malerei wertet das Gesehene um in Bilder von den Modalitäten seiner Sicht. Das geneigte Publikum kann sie komplettieren, ebenfalls seine eigenen Einblicke in die Bilder betrachten. Immer zur Verständigung bereit, gewann Richters ästhetische Kritik an den ideologischen Schemata gesellschaftlicher Sehweisen – die vergangene Sehweisen der Kunst ausbeuten – an diskursiver Virtuosität. Er identifizierte sich mit ihr in dem Moment, wo sie die dramatische Ikonographie der eigenen Farbform-Wahrnehmungen, -Setzungen und -Ableitungen als kompetente Reproduktion der Wirklichkeit bildfähig und insofern gegenständliche Sprache auswies. Richter steht zu seinem Realismus aus Vorsicht. Richter ist der Richter seiner malerischen Entscheidungen (D. Z.) über Sympathien und Antipathien, da gerade auch das phantasiebegabte Menschenwesen am Anfang seiner produktiven Dynamik nicht mehr weiß. Um so spektakulärer ist Richters Entschluß, nur schwierig zu objektivierende Wahrnehmungserfahrungen im Umgang mit sich selbst für wahr zu nehmen, sich an ihren schönen und häßlichen, unlogischen und logischen Aspekten als illusionsloser Beobachter zu reiben. Ihre Andersartigkeit macht er ähnlich, so daß er sie als präzise Phänomene wohltuend komplexen Umgangs mit sich selbst aufatmend, sogar jubelnd als bessere und schönere Realitäten vor Augen stellen…