Manfred Seckinger
Theater, Geld, Politik
Wenn Gott nicht existiert, dann ist alles erlaubt. Unter diesem Motto könnten Italiens Kulturmacher angetreten sein, ihr Land in Besitz zu nehmen.
Italiens Künstler scheinen die Lust an der Suche nach Gott verloren zu haben. Wenn die Religion nicht tot ist, so schläft sie, gerade in Italien. Und weil Italiener im Grunde ihrer Seele doch recht gläubige Menschen sind, helfen sie sich mit einer Ersatzreligion, die dann Marxismus heißt oder Faschismus. Der Marxismus, eine im Prinzip ganzheitliche Doktrin, soll Mensch und Geist in aller Freiheit zu philosophischen oder wissenschaftlichen Erkenntnissen fuhren. So jedenfalls sieht es Dario Fo, der schwerarbeitende Tausendsassa des politisierten Tespiskarrens, der nahe den proletarischen Stadtvierteln Mailands seine Theatertruppe “La Comune” ständig unter Dampf hält.
Anders interpretiert, könnte die Entwicklung der Kulturszene Italiens auch das Opfer ermüdender politischer Querelen sein. Denn, wo Politik, hier wie dort, zum Selbstzweck wird, Politiker als einzige Qualifikation nur das Streben zur Macht erkennen lassen, müssen sich Intellektuelle, kritische Bürger in die Opposition flüchten.
Und weil gemeiniglich Künstler kritische Menschen sind, oft Zeit genug haben, nachzudenken, Begonnenes auszudiskutieren, stehen diese häufiger im linken Lager als anderswo.
Freilich versäumte es bislang die Democrazia cristiana sich bei den Intellektuellen Italiens anzubiedern. Jahrelang galt zum Beispiel die Interessenaufteilung, den Christdemokraten gehört die Mailänder Messe und die Untergrundbahn, den Sozialisten die Scala und das Piccolo Teatro.
Auch wenn Mailands offizielles Kulturleben fest in der Macht einer linken Kultur-Mafia zu sein scheint, so ist diese doch so elitär geblieben wie einst. Den einzigen Widerstand artikulieren die Ultra-Linken, die Kunst…