The Hot Wire
Skulptur Projekte Münster und Skulpturenmuseum Glaskasten Marl
von Renate Puvogel
Zur Überraschung Vieler hat sich das Kuratorenteam Kasper König, Marianne Wagner und Britta Peters für die Skulptur Projekte Münster eine zweite Stadt mit ins Boot geholt: das benachbarte Marl. Warum verläuft ‚der heiße Draht‘ ausgerechnet in die wenig attraktive Ruhrgebietstadt – Marl ist schließlich kein Athen!? Doch die Wahl entpuppt sich in vielerlei Hinsicht als sinnvoll: Den Skulptur Projekten verlangt es in ihrer fünften Ausgabe nach einem Schub in neue Gefilde; es bedarf eines neuerlichen Nachdenkens über Kunst im öffentlichen Raum; ein Blick in die Zukunft ist ebenso geboten wie eine Rückschau auf vierzig Jahre Ausstellungs-Geschichte. Das von Arbeitslosigkeit geplagte Marl andererseits, bekannt vor allem durch den Grimmepreis, kann eine zusätzliche Aufmerksamkeit dringend gebrauchen.
Vor allem aber bietet die Stadt einen alternativen Nährboden. Im Gegensatz zur konservativen, historisierend wieder aufgebauten Universitätsstadt Münster ist Marl eine junge, Anfang des 20. Jahrhunderts aus mehreren Dörfern zusammengebundene Industriestadt; sie wuchs durch Steinkohleförderung und chemische Industrie in den 1950er und 1960er Jahren rasant zu einer der wohlhabendsten Kommunen Deutschlands heran. Für den Bau des Stadtsterns mit Rathaus als städtebaulicher und kultureller Mitte leistete man sich einen internationalen Wettbewerb, den die niederländischen Architekten J. H. van den Broek und J. B. Bakema gewannen. Der Komplex aus Beton und Glas mit zwei Türmen war 1967 fertig gestellt und gilt – seit 2015 denkmalgeschützt – heute als wesentliches Zeugnis des Brutalismus der Ruhrmoderne.
Der weitsichtige Bürgermeister Rudolf Heiland hatte bereits seit 1956 dieses sozial-demokratische, utopische Fundament städtebaulicher Architektur…