Berlin
The Great Repair
Akademie der Künste 14.10.2023 – 14.01.2024
von Judith Elisabeth Weiss
Die Etikettierungen moderner Gesellschaften sind inflationär. Sie folgen dem rasanten Wechsel der Turns und Trends im Wissenschafts- und Kulturbetrieb und reichen von der Medien-, Kommunikations- und Informationsgesellschaft über die Angst-, Abstiegs- oder Erlebnisgesellschaft bis hin zur Leistungs-, Wachs-tums- oder Wohlstandsgesellschaft. Hinzu kommt nun die Reparaturgesellschaft, ein Label, das mit Blick auf die Konsum-, Überfluss- und Wegwerfgesellschaft eine sozial-ökologische Zukunftsperspektive entwirft. Genau genommen ist es ein hoffnungsvoller Begriff, weil er nicht nur eine Zeitdiagnose, sondern gleichzeitig den therapeutischen Ansatz liefert. Das Konzept der Reparaturgesellschaft wurde bereits 1994 von dem Denkmalpfleger Wilfried Lipp eingeführt. Erst 30 Jahre später kommt es nun zur vollen Entfaltung. Das Bemühen, die Künste mit Überlegungen zu einer Ethik von Repair and Care in Verbindung zu bringen, kommt gegenwärtig in Events wie Rituals of Care und Days on Caring, Repairing and Healing (2021) im Gropius Bau, der Vienna Biennale for Change 2021 unter dem Motto Planet love. Klimafürsorge im Digitalen Zeitalter oder der Initiative takingcareproject.eu unter Beteiligung zahlreicher internationaler Museen zum Ausdruck. Und an der Universität Saarbrücken wird ab April 2024 das Käte Hamburger Kolleg „Kulturelle Praktiken der Reparation“ eingerichtet, um ein umfassendes gesellschaftspolitisches Verständnis reparativer Theorie und Praxis zu erarbeiten.
Auch die Ausstellung The Great Repair in der Akademie der Künste Berlin schlägt eine Schneise in das Konzept der kreativen Zerstörung und offeriert ein Gegennarrativ zur kapitalistischen, ausbeutenden Moderne. Reparatur als neues Gestaltungsparadigma geht dabei weit über die ökologischen Konzepte von Recycling, Renaturierung oder Nachhaltigkeit hinaus….