Franz Thalmair
The Death of the Audience
»Nach dem Publikum, die Wahrnehmung«
Secession, Wien, 3.7. – 30.8.2009
“Die Geburt des Lesers ist zu bezahlen mit dem Tod des Autors” schreibt Roland Barthes am Ende seines Essays “The Death of the Author” (1967). Mehr als vierzig Jahre später scheint nun auch der Leser sein letztes Fünkchen Leben auszuhauchen. Mit “The Death of the Audience” legt Pierre Bal-Blanc, Direktor des Centre d’Art Contemporain (CAC) in Brétigny in der Nähe von Paris, eine umfassende museale Gruppenausstellung vor, die sich über das gesamte Haus der Wiener Secession erstreckt und neben dem Hauptraum, der Galerie und dem Grafischen Kabinett auch die Fassade bespielt.
Beim Betreten der Schau werden BesucherInnen von einer zeitgenössischen Adaption Piero Manzonis “Künstlerscheiße” (1961) empfangen. Eine der originalen 90 Konservendosen mit jeweils 30 Gramm Exkrementen präsentiert der Franzose Bernard Bazile geöffnet und unter einem Glassturz als “Boîte ouverte de Piero Manzoni” (1989). Programmatisch für teils radikale künstlerische Positionen steht die geöffnete Dose mit dem nur schwer identifizierbaren Inhalt in der Secession, jenem geschichtsträchtigen Ort, der im heutigen Verständnis als erster ‘White Cube’ der Kunstgeschichte gilt. Weiter im Zentrum des Hauptraums lädt der ursprünglich aus Pakistan stammende und in London lebende Rasheed Araeen mit seiner modularen Skulptur “Vienna Thirtysix: Zero to Infinity” (1968/2009) BesucherInnen ein, die mit Querverstrebungen offen gehaltenen, minimalistischen Wüfel zu stapeln, sie im Raum zu verteilen und beliebig oft neu zu ordnen.
Die Um- und Neuordnung durch Zerstörung und die Veränderbarkeit von Kunst durch ihre BetrachterInnen lassen sich als Leitmotive im gesamten Ausstellungsverlauf ausmachen….