Simon Frith
The Cultural Study of Pop
Kultursoziologische Betrachtung sowie Kritik am Subkulturellen Mythos der Popmusik
I. die Musikpraxis
In ihrem systematischen, eingehenden Überblick über das Musikleben im Milton Keynes1 der achtziger Jahre erläutert die Sozialanthropologin Ruth Finnegan,
»… in Milton Keynes wimmelte es von Rock- und Popbands. Sie traten in Pubs und Clubs auf, übten in Garagen, Jugendclubs, Gemeindesälen und Klassenräumen, suchten über Anzeigen in den Lokalblättern neue Mitglieder und schleppten ihre Instrumente ständig mit, ob zu Fuß oder im Auto. Es waren wohl an die hundert Gruppen, jede mit interessantem, witzigem Namen und eigenem musikalischen Markenzeichen.« (S. 123)
Sara Cohens ethnographische Studie über junge Musiker in Liverpool beginnt ganz ähnlich mit der Feststellung, daß eine 1980 erstellte Bestandsaufnahme von über tausend Merseyside-Bands spricht; sie hatte keinerlei Anlaß zu der Annahme, daß diese Zahl sich bis Mitte der achtziger Jahre verringert haben könnte. Finnegan und Cohen erläutern beide, daß diese “kreativen Amateure” die immer noch vereinzelt vertretene These, das Interesse an Pop sei vorwiegend parasitär beziehungsweise das Spielen von Rockmusik habe etwas Spontanes, Folk-haftes, ad absurdum führen.
Stil, Identität und Live-Ritual
Finnegan arbeitet zum Engagement der Jugendlichen für Pop drei allgemeine Punkte heraus:
Erstens, es beruht auf solidem Wissen und einem sicheren Gespür für Stilrichtungen – Musiker wie Publikum verstehen etwas von Stilregeln und -entwicklungen, sind in der Lage, Sounds nach Einflüssen und Herkunft einzuordnen, und scheuen sich nicht, Musik zu beurteilen und ihr Urteil auch zu begründen.
Zweitens (und bei Cohen wird dies noch deutlicher) legen junge Rockbands und -musiker größten Wert auf Originalität und Selbstausdruck, auf…