Margarethe Jochimsen
Text-Foto-Geschichten
Alles braucht seine Zeit
Text-Foto-Geschichten in großer Zahl, vorwiegend von amerikanischen Künstlern stammend, begegnete ich zum erstenmal 1973 in einer New Yorker Galerie. John Gibson hatte eine Ausstellung mit dem Titel STORY ART zusammengestellt mit Arbeiten von Bill Beckley, Peter Hutchinson, John Baldessari, Roger Welch, David Askevold, Jean Le Gac, William Wegman und einigen mehr. Alle diese Arbeiten vermitteln etwas, was damals ungewöhnlich war: GESCHICHTEN.
Obwohl diese Künstler dieselben Medien wie ihre bereits bekannten “Kollegen”, die conceptual artists, benutzen, nämlich Kombinationen von Texten und Fotos, beabsichtigen sie etwas ganz anderes. Sie erzählen von Ereignissen, meist persönlichen Erlebnissen, Erfahrungen, Erinnerungen und Beobachtungen: Einfache, in keiner Weise spektakuläre Begebenheiten, die – und das war neu – in einer spürbaren Beziehung zum Menschen, häufig zum Künstler selbst stehen.
In einem Text “Story Art” im Magazin Kunst habe ich mich 1974 mit diesem Phänomen ausführlich befaßt.1 Doch während man damals in den USA und einigen europäischen Ländern diesen neuen Arbeiten viel Aufmerksamkeit zuwendete, sie in Ausstellungen präsentierte, darüber diskutierte, blieben sie in Deutschland – aus welchen Gründen auch immer – nahezu unbemerkt, von der vereinzelten Vorstellung einiger dieser Künstler in Galerien (Konrad Fischer, Paul Maenz) einmal abgesehen.
Inzwischen sind fünf Jahre vergangen und der Begriff STORY ART bzw. NARRATIVE ART scheint sich entgegen vieler verständlicher Bedenken zahlreicher Künstler hinsichtlich dieser mehr oder weniger gewaltsamen Kategorisierung durchgesetzt zu haben – nimmt man als Indiz dafür die häufige Erwähnung in lexikalischen Werken. Eine Ausstellung allerdings, die einen Eindruck über diese Kunstform vermittelt hätte, ist bisher in Deutschland noch…