Rainer Metzger: Relektüren
Folge 26
Terry Eagleton, The Idea of Culture, Oxford 2000, deutsch als: Was ist Kultur?, München: C.H. Beck 2001
Ein Gespenst ist einst umgegangen in der Welt, das Gespenst des Kulturalismus. Heute, da der Anfangssatz des kommunistischen Manifests wieder in der Version zitabel geworden ist, wie er einst ersonnen wurde, und wir eine Welt vorfinden, die so links ist wie nie zuvor in der Geschichte, heute, wo der Gegner wieder identifzierbar ist und die Zuteilung der Lager eindeutig, heute mag man sich wundern, dass es gerade einmal gute zehn Jahre ist, da Terry Eagleton eine Schmähschrift gegen den allgemeinen Cultural Turn verfassen konnte, die sich gewaschen hatte
Kultur war also das Zauberwort, und Eagleton war Professor für Englische Literatur in Oxford. Bis dato hatte er dem “Criticism”, der “Ideology” und den “Aesthetics” eine Publikation gewidmet, er galt entsprechend als Vorzeigedenker der zeitgenössischen Linken, mit Kontakten bis weit hinein in den Kunstbetrieb. “The Idea of Culture”, so der originale Titel, war dann zur Jahrtausendwende fällig. Marxisten sind immer auch Hegelianer: Bei aller Differenzierung, und gerade um ihretwillen hatte Eagleton sich in die Debatte eingeschaltet, galt es eine einheitliche “Idee” von Kultur zu behaupten. Ihr spürte der Essay nach. Sie galt es zu kräftigen. Diese Suppe hat nicht allen geschmeckt.
Dreierlei, so rekapituliert Eagleton das moderne Verständnis von Kultur, hat der Begriff einst bedeutet. Kultur, das war zum einen ein anderes Wort für Zivilisation; das war zum zweiten der Terminus für einen Pool an Gemeinsamkeiten, auf den man sich sozial und kommunikativ berufen…