Rafael Lozano-Hemmer
Televerkörperung in Trace
»Körper sind undurchdringlich: nur ihre Undurchdringlichkeit ist durchdringlich.«
(Jean-Luc Nancy)
Endoskopie
Eine lange, flexible Röhre von einem viertel Zoll Durchmesser wurde in die Nase meines Vaters eingeführt und durch den Kehlkopf bis in seine Bronchien geschoben. Der Arzt auf der Intensivstation führte das Bronchoskop durch eine Steuerung, die es ihm auch ermöglichte, eine winzige Pinzette zu benutzen. In der Brust meines Vaters sah der Arzt einen Tumor, der sich ausgebreitet und die linke Lunge zerstört hatte. Er entnahm eine Gewebeprobe zur Analyse, um Sicherheit zu erhalten, aber indem er “dort” gewesen war, wußte er, daß mein Vater an einem bösartigen Krebs litt.
Nachdem meine Schwester dies erfahren hatte, unterzog sie sich einer Ultraschalluntersuchung und bat ihren Gynäkologen, ihr einige Bilder ihres ungeborenen Kindes auszudrucken. Ein mikrofonähnliches, mit hohen Frequenzen arbeitendes Ultraschallgerät, das auf ihrem Bauch plaziert wurde, ermöglichte eine detaillierte Sicht aus verschiedenen Perspektiven. Das System bildete einen gesund aussehenden, sechs Monate alten Fötus auf vier schwarz-weißen Bildern ab. Meine Schwester zeigte die Bilder meinem Vater. In ihrem telepräsenten Bauch hatte er so die Möglichkeit zu sehen, wie sein erstes Enkelkind aussehen wird. Ein paar Tage später starb er.
Ich begann diesen Aufsatz über “Televerkörperung”, also über die technische Möglichkeit für zwei oder mehr Personen, sich jeweils im anderen zu befinden, mit einer Episode, die mit persönlicher Bedeutung angefüllt ist. Mit der Voraussage des Todes und der Ankündigung der Geburt erlaubten die endoskopischen Techniken eine kurze Begegnung in der Generationenfolge meiner Familie von…