Florian Rötzer
Technoimaginäres – Ende des Imaginären?
Schon vor zwanzig Jahren hatte Marshall McLuhan in jenem apodiktischen Ton den großen Bruch verkündet, der die Diskussion über die Auswirkungen der neuen Technologien noch immer beherrscht: “Die elektrische Schaltungstechnik hat die Herrschaft von ‘Zeit’ und ‘Raum’ gestürzt und überschüttet uns sekundenschnell und in einem fort mit den Angelegenheiten aller anderen Menschen. Sie hat den Dialog im globalen Ausmaß wieder ermöglicht. Ihre Botschaft ist der totale Wandel, der aller Beschränktheit … ein Ende setzt. Nichts ist dem Geist der neuen Technik fremder ‘als ein Platz für alles und alles an seinem Platz’. Es gibt keinen Weg zurück.”
Solch eschatologischer Akzent begleitet bereits den neuen Verbund von kapitalistischer Ökonomie, politischem Liberalismus und maschineller Produktion im 19. Jahrhundert und kommt etwa, utopischkritisch gebrochen, aber nicht weniger fatal futuristisch getönt, im “Manifest der kommunistischen Partei” von 1848 in sehr ähnlichen Konturen zum Ausdruck: “Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen früheren aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können … An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion.” Im “allseitigen Verkehr” von Gutem und Informationen entsteht eben jenes globale Dorf McLuhans, das kein Außen mehr kennt und in dem tendenziell alles nur existiert, wenn es am Netz…