MARCUS LÜTKEMEYER
Tatjana Doll – disabled parking
Visuelles Sodbrennen
Städtische Galerie im Rathauspark Gladbeck, 6.12.2002 – 16.2.2003
Ist Wirklichkeit eine kollektiv erzeugte Halluzination oder erweist sie sich als bloße massen-mediale Bilderfahrung, in der Realität als Erlebnis eines körperlichen Widerstandes im simulierten Traum verschwimmt? Nicht nur der mediengeschulte Zeitgenosse begreift und definiert sich und seine Wirklichkeit als Bilder. Sich die Medienbilder einzuverleiben, ist die Transfiguration, die als Möglichkeit allen verheißen ist, insofern diese eine Vielfalt suggerieren, die individuelle Einfalt zu suspendieren scheint. Dabei gerinnt die Zeit diesseits des Bild-Schirms zur Pause der Wirklichkeit, die schließlich als Film stattfindet. In diesem Zusammenhang wird häufig eine dematerialisierende Wirkung der neuen Medien diagnostiziert, einhergehend mit der Rhetorik des Verschwindens. Dass jedoch die Vorstellung vom Verlust des Körpers unter Bedingungen der Virtualität zu kurz greift, veranschaulichen sieben neue Gemälde von Tatjana Doll in der Städtischen Galerie Gladbeck auf appetitliche Weise.
Was zunächst erstaunt, liegt jedoch nahe: Hat die Malerei ungeachtet periodischer Aufmerksamkeitsschübe neben anderen Bildformen ihr Privileg in der Gegenwart eingebüßt, erscheint sie um so geeigneter, dem Trend medial verursachter Wahrnehmungsbeschleunigung und flüchtiger Oberflächenabwicklung ein nachhaltiges Anhalten entgegenzusetzen. So löst sich im Vorgang der Betrachtung der (Bild-)Körper nicht auf, sondern verdoppelt sich in eine sinnlich wahrnehmbare (Farb-)Hülle und wird somit ein Zeichenkörper, dessen Wirklichkeit alternativ weniger im Messbaren oder Sichtbaren, sondern eher versteckt in unseren Köpfen lokalisierbar wird. Dabei betreiben die großformatigen Arbeiten von Tatjana Doll weder künstlerische Transformation noch fungieren sie als assoziativ aufgeladene Bedeutungsträger, sondern zeugen entgegen aktueller Tendenzen, die Zukunft der Malerei nicht zwangsläufig in…