Ronald Berg
Takehito Koganezawa
»Luftlinien«
Haus Am Waldsee, Berlin, 2.3. – 20.5.2012
Bei dem Japaner Takehito Koganezawa kann man beobachten, wie aus der Begegnung westlicher mit östlicher Tradition Funken geschlagen werden. Eigentlich sind es keine Funken sondern Linien, auch wenn sie manchmal im Dunklen nur schnell aufblitzen, um sofort anderen sich kurzfristig über die Wände des Raumes schlängelnden Farblinien Platz zu machen. Die bunten Lichtschlangen, die im Gartensaal des Haus am Waldsee über Wand, Boden und Decke huschen, entstammen dem Fang einer nächtlichen Autofahrt durch die Straßen von Tokio mit einer Videokamera. In der richtigen Geschwindigkeit in den verdunkelten Raum projiziert, ergibt sich aus dem ständigen Werden und Vergehen des stummen Lichterspiels („Graffiti of Velocity“) eine Art hypnotischer Sog.
In ähnlicher Wirkung – doch auf mehr akustische Weise – funktioniert eine andere Mehrkanal-Videoinstallation. Hier erzeugen Weingläser durch das beständige Kreisen auf Rand ihres Kelches einen endlos-summenden Ton.
Im Grunde zeigen bereits diese beiden Installationen die methodische Disposition in Takehito Koganezawas Arbeit: Man kann es „Ruhe in der Bewegung“ nennen, wie der Künstler selbst es tut, man kann es genauso gut als Einheit der Gegensätze bezeichnen. Exemplarisch stehen dafür Linie und Kreis(bewegung). Symbolisch gelesen stehen sie für zwei Arten des Ablaufs der Zeit: Da wäre zum einen der lineare Zeitverlauf mit Anfang und Ende, mit Geschichte und Fortschritt und zum anderen der zyklische Zeitverlauf mit seiner ständigen Wiederkehr von Werden und Vergehen. Letzteres gehört in die Auffassung des Ostens, ersteres dominiert im Westen.
Koganezawa bringt nun die Kunst fertig, das Inkommensurable der beiden Prinzipien mit genial…