Tabubruch und documenta-Dämmerung
Kontroversen um die documenta fifteen – Eine Zusammenfassung
von Jürgen Raap
Streitereien und Skandale haben auch frühere Documenta-Ausgaben begleitet. Doch bislang wurde die Kasseler Weltkunstschau noch nie so sehr zu einem Politikum wie jetzt die d 15. Ein halbes Jahr lang zankte man sich in den Feuilletons erbittert darüber, „ob sich in den leitenden Gremien und Künstlerkollektiven der Ausstellung Israel-Feinde und Antisemiten tummeln“1 Losgetreten hatte die Debatte im Januar 2022 das „Bündnis gegen Antisemitismus Kassel“ (BgA) mit ersten Vorwürfen, die den Journalisten Thomas E. Schmidt in „Die ZEIT“ zu der Frage veranlassten: „Hat die Documenta ein Antisemitismus-Problem?“2
Der Gedanke, ein solches Bild hätte nach all dem Rummel womöglich noch 100 Tage lang zu einer Touristenattraktion werden können, wäre letztlich unerträglich gewesen.
Nach dem Eklat um die Ikonografie im Großbild „People’s Justice“ (2002) des indonesischen Kollektivs Taring Padi an den Tagen nach der Ausstellungseröffnung im Juni 2022 konnte diese Frage mit „Ja“ beantwortet werden. Dass auf diesem Werk „antisemitische Stereotypen wie ein Soldat mit Schweinegesicht und Davidstern und eine Figur mit Schläfenlocken und SS-Runen auf dem Hut dargestellt sind, ist so ziemlich das Schlimmste, was der documenta fifteen hätte passieren können. Die Vorurteile, die ruangrupa und ihrem Fokus auf den globalen Süden im Vorfeld entgegenschlugen, scheinen bestätigt“, schrieb Saskia Trebing3. Dabei waren es aber vor allem auch die Unbeholfenheiten der d 15-Leitung im Umgang mit den Vorwürfen, welche Teile der interessierten Öffentlichkeit erzürnten. Zunächst wurde das beanstandete Banner nämlich nur verhüllt, und erst nach massivem öffentlichen Druck dann ganz abgebaut. Der Gedanke,…