Sue Williamson
Die aus England stammende Südafrikanerin Mary Susan Williamson bekennt sich in ihrem Werk zu jener Richtung, die Kritik an den Institutionen übt. In ihrem Schaffen erfaßt sie Konflikte, die über die anzuwendenden Darstellungsformen hinausweisen. In dem Bild “For thirty years, next to his heart” geht die Künstlerin von der Tatsache aus, daß die Schwarzen Südafrikas keine Bürgerrechte besitzen. Deshalb wählt sie ein historisches Dokument, um ihre Botschaft zu gestalten: den Personalausweis der nichtweißen Bevölkerung, das “Passbook”. Das Gemälde gibt jede einzelne Ausweisseite eines Mannes wieder, der dieses “Passbook” dreißig Jahre bei sich getragen hat. Wie es die Künstlerin selbst erklärt: “Das Leben eines Menschen, das von Stempeln und Unterschriften eingeengt und nach Seiten bemessen wird.”
Sue Williamson benutzt gestalterische (oder zerstörerische) Mittel, die bereits im Schaffen von Cindy Sherman, Connie Hatch und der gesamten nordamerikanischen Postavantgarde ihre Wirksamkeit bewiesen haben, was mit der Pop-art und der für sie bezeichnenden profanierenden Tendenz Duchamps begann, für die Andy Warhol am häufigsten als Beispiel genannt wird. Allerdings ist der unmittelbare Wirkungsbereich von Williamsons Schaffens tatsächlich auf die lokale Ebene beschränkt. Es handelt sich um eine anklagende Kunst, die gegen ein in der heutigen Welt einzigartiges Übel kämpft: die Apartheid in Südafrika. Nur daß die Künstlerin dieses Thema aus einer philosophischen Perspektive behandelt, die über das rein physische Erscheinungsbild der Unterdrückung hinausgeht. Da der Begriff der Identität in Frage gestellt wird (oder vielmehr die Gültigkeit einer Verteidigung der allgemeinen Identität, wenn die individuelle Identität des Schwarzen bedroht ist), dringt sie psychologisch tiefer und differenzierter…