Subversive Heterogenität
Malerei im Poststrukturalismus
von Marie-Luise Syring
Die Jahre vor und nach 1968, die so “international” waren, soweit es um Gesellschaftskritik und Revolte ging, um den Stromkreis der subversiven und emanzipatorischen Theorien, weisen im Bereich der Kunst keine große, mitreißende, übernationale Bewegung auf. Da war eher, durchaus im Sinne individueller Emanzipation, Raum für einzelne bedeutende Persönlichkeiten, die die Kunstszene dieser Zeit geprägt haben.
Das hatte zur Folge, daß es weniger Information als gewöhnlich über die spezifische Entwicklung der Kunst in den einzelnen Ländern gab. In Frankreich wußte man bisher nicht viel über die Arbeit deutscher Künstler, und das hat sich erst seit etwa zwei Jahren geändert, mit den Turbulenzen neuer expressiver Tendenzen. Sehr wenig Kenntnis gelangte andererseits über die französischen Künstler der 60er und 70er Jahre nach Deutschland, und die Vermittlung in diese Richtung ist bis heute noch kaum belebt worden.
Dabei gibt es die Malerei in Frankreich, und sie beschränkt sich nicht, wie die Veranstalter der Ausstellung vom “Neuen Geist in der Malerei” in London uns glauben machen wollten, auf Picasso, Helion und Balthus, die, trotz der unbestreitbaren Bedeutung ihrer Werke nicht mehr als einen indirekten Einfluß auf die jüngere Generation ausübten. (1) Die beruft sich vielmehr auf Matisse und auf Manet, auf Poussin und Tintoretto, auf die Fresken von Mantegna oder die Geometrien des Orients.
In der letzten Zeit tauchte auch immer häufiger der Vergleich mit dem Barock auf, zuerst erwähnt im Zusammenhang mit dem Pluralismus der Stile, die in immer schnellerer Folge den Kunstmarkt überschwemmen, also im Sinne von Überzahl und Übersättigung…