Diedrich Diederichsen
»Subkulturen schließen sich nicht nur aus politischen Reflexionsgründen zusammen«
Über Techno, Punk, Boheme, Mainstream und Mtv
Gespräch von Christoph Doswald
»Avant«
Christoph Doswald: Wir sitzen hier in Zürich zusammen: Wie würden Sie die Schweizer Szene charakterisieren?
Diedrich Diederichsen: Weil die Generalisierbarkeit von Subkultur-Zusammenhängen völlig verschwunden ist, kann ich nichts allgemeines zur Schweiz sagen – genausowenig wie zur deutschen, englischen oder amerikanischen Szene. Nur soviel: an Zürich fällt auf, daß eine intensivere Beziehung zu Reggae als in anderen europäischen Großstädten herrscht, daß es im Reggae engere Verbindungen direkt zu Jamaica gibt als anderswo. Dort, wo eine intensivere Reggaeszene existiert, läuft es nämlich meistens über London. Dieser Zusammenhang interessierte mich bis vor kurzem sehr. Ich kann aber nicht beurteilen, wie sich Zürich technomäßig von anderen Städten unterscheidet. Das ist meistens der Punkt, an dem die meisten europäischen Städte sich unterscheiden. In allen anderen Bereichen sehe ich keine Unterschiede zu den anderen europäischen Großstädten.
Was halten Sie vom Zürcher Duo Yello, das als Vorläufer der Technowelle gefeiert wird?
Das ist ja alt, das ist achtziger Jahre. Das ist eine ganz andere Welt. In den frühen Achtzigern war Zürich ein Außenposten der New Wave. Da gab es diese Bands, die heute noch von Greil Marcus und Dan Graham hochgehalten werden, wie Liliput und Kleenex.
Das sind Bands, die für die politisierte Subkultur der Jugendbewegung stehen.
Das hat man damals so interpretiert. Aber aus jetziger Sicht besteht diese Verbindung mit der Zürcher Rebellion kaum mehr. Liliput wird heute fast schon kanonisiert als ästhetisches Ereignis, das “avant” war vor allem möglichen….