Thomas Wulffen
Strukturen der Malerei
Ausstellungsräume im Reichshof, Leipzig, 22.2. – 4.4.199
Die Ausstellung, für deren Konzeption und Organisation der Leipziger Künstler Thilo Schulz verantwortlich zeichnet, kann außerhalb des spezifischen Kontexts nicht in ihrer Bedeutsamkeit wahrgenommen werden. Fünf Jahre nach der deutschen Vereinigung ist immer noch von zwei unterschiedlichen Kunstlandschaften zu sprechen. Zwar gibt es Bemühungen, diese Trennung aufzuheben, und das Projekt von Thilo Schulz ist eines davon. Aber derartige Bemühungen können nicht die Tatsache verleugnen, daß die Kunst hier und dort auf unterschiedlichen Boden gewachsen ist und vollständig andere Hintergründe kennt. Das muß bei einer Bewertung in Betracht gezogen werden. Wer ohne diese Hintergründe, die eigenen und die fremden, argumentiert, begeht jenen Fehler, der landläufig bei der Betrachtung der ostdeutschen Kunstlandschaften begangen wird: den eigenen, westdeutschen Standpunkt als universell zu setzen. Das ist zwar der normale Umgangston, aber das gibt ihm noch keine Legitimation.
Der Titel der Ausstellung lautete `Strukturen der Malerei` und stellte Arbeiten von Adrian Schiess, Klaus Merkel, Bernd Vossmerbäumer und Gunda Förster vor. In einem klugen, einsichtigen Vorwort von Dieter Daniels in dem zur Ausstellung erschienenen Katalog wird der Hintergrund der Ausstellung erläutert. In Leipzig war Malerei wesentlich Handarbeit und weniger Kopfarbeit. Die Ausstellung bemühte sich in der Präsentation und in einem angeschlossenen Kolloquium um eine Abarbeitung dieses Defizits, wobei allerdings deutlich wurde, daß der Ausstellungstitel zu Mißverständnissen führt, denn der Begriff der Struktur bedeutet alles oder nichts. Natürlich lassen sich die `Katalogbilder` Klaus Merkels aus dem Jahre 1992 als Struktur begreifen, aber das benennt nicht deren Eigentümlichkeit. Sie…