Thom Merrick
Street-level
THOM MERRICK (*1963 in Sacramento, Kalifornien, lebt in Brooklyn, New York): In der St. Galler Galerie Susanna Kulli hat Thom Merrick im letzten Jahr drei Regencovers für Autos verkehrt herum an der Decke aufgehängt. Entstanden sind schwebende Skulpturen. Von innen leuchten weiße Röhren durchs Blau und machen so die Hüllen zu übergroßen Leselampen im Japanstil. Auf dem Boden unter den Carcovers liegt etwas Unbestimmbares. Wer nicht reisen kann, sollte wenigstens lesen. Jack Kerouacs “On the Road”, Vladimir Nabokovs “Lolita” und Joseph Conrads “Heart of Darkness” wurden ausgewählt. Die Klassiker des Unterwegsseins wurden in der Waschmaschine zu unlesbaren Klumpen verwaschen, womit die Sehnsucht ihrer Heimat beraubt wurde.
Das Video “Road Works” zeigt, wie Merrick auf der Landstraße trampt: Kaum nähert sich ein Auto, stürzt er sich auf Leinwand und Farbtopf, führt den Roller grobschlächtig übers Bild, um kurz darauf dem vorbeifahrenden Automobilisten die nasse Farbtafel entgegen zu halten. Zwanzigmal vergebens. Schauen und hektische Malgestik folgen aufeinander, der Straßenrand mutiert zum Atelier. Keiner der Mobilisten ahnt, daß er dem Künstler den Zeittakt vorgibt. Nach fünfzehn Minuten ist die Aktion vorbei. Seit 1992 hat Merrick kein Atelier mehr. Entweder ist er auf Reisen oder er geht in der Stadt umher. Statt im Elfenbeinturm zu schmoren, bevorzugt er “streetlevel mentality”.
(Bia.)
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