Straßenbild, Dekonstruktionsarbeit und Meisterarchitektur
Charlotte Pöchhacker (Hg.) .»film+arc.graz«, Katalogbuch zur 2. Internationalen Biennale Film und Architektur
Karl-Marx-Stadt, 1988. Die von Altbauten gesäumte Straße wirkt vertraut. Irgend etwas scheint allerdings in Wolfgang Hartzschs schwarzweißem Super-8-Film ‘Menschen dieser Stadt` nicht zu stimmen. Die Bürgersteige sind zugeparkt, doch wie auf den Halden westdeutscher Zwischenhändler reiht sich hier ein identisch-gräulicher Trabant an den anderen. Schon fünf Jahre später hat die Marktwirtschaft das Straßenbild vollkommen verändert, die sparsame DDR-Einheitsproduktion mitsamt ihrem 2-Takter-Klang weggefegt und Chemnitz mit Vehikeln unterschiedlichster Marken, Bauarten und Farben durchsetzt. Der Umbau einer Stadt ist also doch mehr als nur Architektur.
Das umherreisende Festivalprogramm von ‘film+arch.graz` wurde in Berlin um lokale und ostdeutsche Beiträge erweitert. Zwei Mitte der achtziger Jahre entstandene Super-8-Filme von Volker (Via) Lewandowski zeigen Dresden vom Zug aus (endlos ziehen sich die Zweckbauten der Industrie), aus der Luft (das bombenzerstörte Schloß wirkt wie eine Filmkulisse) oder aus den Tunnels, Durchgangsbereichen und Fußgängerzonen der Innenstadt. Lewandowski registriert das zerstört Normale als das Besondere, ohne gleich nach dem Wideraufbau der Dresdner Frauenkirche rufen zu müssen.
Auch Gordon Matta-Clark achtete in seinen zahlreich dokumentierten Performances und Aktionen auf Banales, um es durch Zerstörung kurzfristig zu überhöhen, wobei die oftmals lässige Kameraführung und seine lakonischen Zwischentitel das Dramatische daran kippen. Stuntreif rammt Matta-Clark seinen klapprigen Lieferwagen gegen einen Bulldozer, als gelte es den Nachteil unangegurteten Fahrens zu demonstrieren (‘Freshkill`, 1972). Anschließend wird das Auto von zwei Baggern brachial zerrissen und auf einer tristen und möwenumkreisten Müllhalde verkippt. Ebenfalls an der städtischen Peripherie liegen die Holzhäuser, welchen Matta-Clark…