Jochen Becker
Stephen Willats
»A State of Agreement – Interactive Works 1962/95«
Galerie Franck + Schulte, Berlin, 31.3. – 6.5.1995
Diese Spielkinder: Statt bei der Eröffnung eine frühe interaktive Arbeit des britischen Künstlers Stephen Willats zu achten und weiße Ziegel entlang dem rechtwinklig vorgezeichneten Raster auszurichten, wurden mit dem überdimensionalen Baukasten wilde, schief und quere Konstruktionen errichtet. Diese Stricktheit kennt man in Berlin allerdings zu Genüge: Stein auf Stein, Block an Block, exakt am historischen Grundriß ausgerichtet, wird seit dem Mauerfall die Innenstadt zugebaut. Willats’ 1963 entwickelten und in der Galerie Franck + Schulte zum Teil erstmalig präsentierten Lernsysteme verbreiten eine rigide und zugleich skulpturale Sachlichkeit. Hier kommt eine wissenschaftliche Kälte zum Vorschein, die sich aus seiner langjährigen Beschäftigung mit Kybernetik, Systemtheorie, Semiotik oder Behaviorismus speist. So jobbte Willats anfänglich in einem kommerziellen Forschungsinstitut und begründete 1972 das semiprofessionelle ‘Zentrum für behavioristische Kunst`.
Wie zur Erklärung einer Präsentation im bürgerlichen Kontext der als Galerie genutzten Charlottenburger Etage hängt eine schematische Grafik an der Wand, wobei der Kunstraum als Interface die Wohn- und Arbeitswelt verzahnt. Denn bekannt geworden ist Willats als konzeptuell arbeitender Dokumentarist nichtprivilegierter Lebensverhältnisse oder durch Projekte, die er gemeinsam mit Siedlungsbewohnern realisiert hatte. Auf seinen Streifzügen durch Betonburgen und Randlagen der Nachkriegsmoderne untersuchte er systematisch die in den Blocks sich manifestierende “institutionale neue Wirklichkeit”. So zog er 1979/80 als DAAD-Stipendiat durchs Märkische Viertel und die Gropiusstadt und setzte dies 1992/93 mit Spaziergängen in Marzahn fort. Willats Bildtafeln halten die Lebensumstände und Konflikte vom Ostende Londons bis zu Großberliner Massenwohnkomplexen anhand einzelner…