Reinhard Ermen
Stephen Parrino: reflecting live
»Retrospective 1977 – 2004«
mamco, Genf, 21.2. – 7. 5. 2006
Drei Jahre lang wurde diese Ausstellung vorbereitet, das letzte Jahr ohne die Mitarbeit des Künstlers, denn Stephen Parrino (*1958 in New York) starb in der Neujahrsnacht 2005 an den Folgen eines tragischen Motorradunfalls in Brooklyn; unversehens liegt auf der umfänglichen Retrospektive in zwei weitläufigen Fabriketagen des “musée d’art moderne et contemporain” (mamco) in Genf ein melancholischer Schatten. Die so gegebene Unerbittlichkeit mischt sich in die Brisanz eines Werks, das in der Verbindung von existentieller Gewalt und formaler Attitüde schon immer mit dem Tod umging. Der erste Blick zurück, den selbst viele Lebende fürchten, amalgamiert sich so ganz selbstverständlich mit der Aura des abrupten Endes, die gut 200 Exponate, von denen viele aus dem Nachlass erstmals gezeigt werden, erzählen von einem bedeutsamen Verlust und gleichzeitig von einer starken, in jeder Weise unkonventionellen Wirklichkeitsverarbeitung.
Stephen Parrino? Das Studio in einer etwas abgetakelten Gegend von Queens sah aus wie eine Garage, wo die beiden Motorräder fast den meisten Platz brauchten. Er war Biker, Musiker, Performer aber zuallererst womöglich Maler, aufgewachsen im chaotischen Pluralismus der 60er und 70er Jahre, groß geworden im angespitzten politischen Protestklima, im kreativen Gerangel zwischen Fluxus und Pop, durch Punk und Minimalismus herausgefordert zu fast unmöglichen Synthesen. Die Entscheidung für ein Studium der Malerei war für den Hin- und Hergerissenen vielleicht eine Trotzreaktion, die sich bezeichnenderweise über einem Trivialmythos formuliert. “I decided to choose painting”, sagte er im Juni 2000 in einem Rundfunkinterview, “because it…